Das Gold der Piraten
beieinander und sangen raubeinige Seemannslieder. Einer der Männer spielte auf seiner Geige zum Tanz auf, und bald war das ganze Schiff auf den Beinen, lachte und tanzte. Lara klatschte begeistert in die Hände.
Nepomuk bekam von Kapitän Rotbart das Fechten beigebracht. Anfangs wagte er kaum, den Degen in die Hand zu nehmen. Doch bald traute er sich mehr und lachte vor Freude, als es ihm gelang, die ersten Übungen zu meistern.
»Siehst du, mein Junge, auch ein Knirps wie du kann lernen, den Degen zu schwingen!«, polterte der Kapitän.
Nepomuks Wangen leuchteten vor Stolz.
Als die Sonne im Meer versank, tauchte sie den endlos weiten Himmel über den Kindern in ein Farbenspiel, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatten. Tupfer aus leuchtendem Rot und Violett verfingen sich in majestätischen Wolkengebirgen.
Dann kam die Nacht und über ihnen leuchteten die Sterne mit solcher Klarheit und Pracht, dass Lara eine Gänsehaut bekam. Gemeinsam mit Ben stand sie am Bug des Schiffes und ließ sich von Nepomuk erklären, wie die Seefahrer in alten Zeiten mithilfe der Sterne navigiert hatten.
So schön die Nacht war, so schwer wurde den Kindern plötzlich ums Herz, als sie daran dachten, wie weit weg sie von zu Hause waren.
Schließlich wurde es still auf der Königin der See . Alle Piraten schliefen und die drei Kinder lagen in ihren Hängematten, sanft geschaukelt von den Wellen, die gegen den Rumpf des Schiffes schlugen. Sie wurden von düsteren Gedanken geplagt. Ben musste an seine Mutter denken. Sein Vater wohnte schon lange nicht mehr bei ihnen. Was sollte aus seiner Mama werden, wenn er nicht mehr nach Hause kam? Dann wäre sie ganz allein. Der Gedanke brach ihm das Herz.
Lara erging es ähnlich. Unruhig wälzte sie sich in der Hängematte hin und her. Sie vermisste ihr Bett und, was noch viel schlimmer war, ihre Familie. Auch wenn sie manchmal richtige, laute Nervensägen sein konnten, liebte sie ihre Geschwister und ihre Eltern mehr als alles andere auf der Welt.
In dieser Nacht fasste Lara einen Plan.
Als die Sonne aufging und die Piraten schnarchend in ihren Matten hingen, schlich sie sich leise auf Deck und füllte einen Eimer mit Wasser.
»Lara, was hast du vor?«, fragte Nepomuk, der ihr heimlich gefolgt war.
»Leopold hat gesagt, wir müssen den Träumenden aufwecken. Und genau das werde ich jetzt tun!«, sagte sie entschlossen.
Bevor Nepomuk Zweifel anmelden konnte, hatte sie Frederico eiskaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. Im selben Moment war er auf den Beinen und sah sich erschrocken um.
»Angriff!«, rief er. »Eisenkralle ist auf dem Schiff! Zu den Waffen!«
Die Piraten sprangen aus ihren Hängematten. Einige, die sich dumm anstellten, landeten auf dem Hosenboden, andere tasteten verschlafen nach ihren Waffen.
Triefnass und hellwach bemerkte Frederico den Eimer in Laras Händen.
»Lara? Hast du mich mit Wasser übergossen?«
Nepomuk schenkte seiner Schwester einen schiefen Blick. »Das wird Ärger geben, Schwesterherz.«
Doch Lara ließ sich nicht beirren. Sie packte Frederico bei den Schultern. »Aufwachen!«, rief sie.
»Aber ich bin doch wach«, sagte Frederico verwundert. Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Und es half auch nicht, dass sie ihn beherzt in die Schulter kniff.
»Au, das hat wehgetan«, schimpfte er.
»Das hier ist nur ein Traum, und du musst aufwachen«, beharrte Lara.
Frederico sah sie an, als ob sie den Verstand verloren hätte.
»Lara, so funktioniert es nicht!«, sagte Nepomuk leise.
Inzwischen hatten die Piraten erkannt, dass es falscher Alarm war, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Müde und schlecht gelaunt gingen sie auf Frederico zu.
»Da habt ihr’s«, sagte Hagen zu ihnen. »Diese Bälger bringen nichts als Ärger!« Bedrohlich ging er mit seinem Kumpan Blutzweig auf die Geschwister zu und wollte Lara packen.
Ben stellte sich schützend vor sie. Er war durch den Tumult geweckt worden. »Wer sie anfasst, bekommt es mit mir zu tun, klar?«, sagte er.
Hagen und Blutzweig lachten höhnisch, doch Ben meinte es ernst. Er würde niemals tatenlos zusehen, wenn seine Freunde in Gefahr gerieten. Tatsächlich zögerte der hagere Pirat. Er wollte sich auf keinen Fall mit Ben anlegen.
In diesem Augenblick war ein lauter Schrei zu hören.
»Land in Sicht! Alle Mann an Deck!«
Die Piraten ließen alles stehen und liegen und rannten auf Deck. Die Kinder folgten ihnen und stellten sich an die Reling. Staunend blickten sie auf das, was sich da vor
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