Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
für alte Herren. Nur einmal, als wir im Regen
den Ausflug nach Neckarsteinach machten, da zog er plötzlich eine Mütze aus der
Tasche und...«
Philipp atmete dreimal tief
durch. Ganz ruhig bleiben, dachte er, ganz ruhig bleiben. »Mutter, mich
interessiert im Augenblick nur eines: kommt dir das Gesicht unter der Mütze,
ich meine, unter dem Hut, bekannt vor?«
»Er hat sich kaum verändert«,
sagte sie plötzlich und schaute gerührt auf den Zeitungsausschnitt.
»Also ist er es!« Philipp
schrie es.
»Natürlich ist er es. Ich werde
doch deinen Vater erkennen.« Frau Engel sah plötzlich Kreise vor ihren
Brillengläsern. Blaue Kreise mit hübschen roten Punkten, und ließ sich in den
Ohrensessel sinken. Philipp kam mit dem Krug Zwetschgenwasser gelaufen. »Hier«,
sagte er, »trink das, das wird dir guttun.« Er schenkte sich selbst ein. »Und
mir wird es auch guttun. Prost, Frau Engel. Prösterchen, auf Marcel de
Grandlieu, auf Vater, meine ich. Ach was, auf die Millionen!« Er sprach wie im
Fieber. Er stieß sein Schnapsglas gegen das seiner Mutter. »Vielleicht ist es
sogar noch mehr als eine Million. Er hat doch von einem Riesenvermögen
gesprochen? Also weniger ist es auf keinen Fall.«
Sie hörte ihm nicht zu. Sie
hatte den Zeitungsausschnitt wieder in die Hand genommen und sagte versonnen:
»Es ist seine Nase. Die Nase ist bei ihnen erblich in der Familie, hat er immer
gesagt. Ein bißchen zu groß war sie schon immer.«
Philipp kniete vor dem
Ohrensessel und packte seine Mutter bei den Schultern: »Eine Pension werden wir
dir hinbauen, Frau Engel, das wird ein Pensiönchen mit allen Finessen, sage ich
dir. Platzen werden die Leute hier am Staden!«
»Das Gesicht von der Nachbarin
kann ich mir jetzt schon ausmalen«, sagte sie und lachte in stiller Vorfreude.
»Die hat uns doch nie was gegönnt. Du erinnerst dich vielleicht noch, wie sie
damals richtig gelb wurde vor Neid, als wir uns das kleine Auto angeschafft
hatten, und...«
Diesmal hörte Philipp nicht zu.
Er nahm Bleistift und Papier zur Hand und entwarf die neue Pension. »Jedes
Zimmer ein Bad, das ist klar. Die Rezeption wird völlig umgebaut. Und zum
Neckar ‘raus das Frühstückszimmer. Vollverglast bis zum Boden.«
»Hoffentlich kriegen wir das
durch. Hier ist nämlich Denkmalsschutz, Phipps.«
Er warf den Bleistift auf den
Tisch. »Mit Geld kriegst du alles durch. Und wenn nicht, wer zwingt uns, die
Pension weiterzuführen? Verkaufen wir doch den Laden, und du baust dir drüben
am Philosophenweg ein Häuschen. Da sitzt du den ganzen Tag auf der Terrasse,
schaust auf das Schloß und läßt den lieben Gott einen guten Mann sein. Hast ja
genug geschuftet in deinem Leben, gute Alte.«
»Ach weißt du, so ganz ohne
Arbeit ist es vielleicht auch nichts. Und dann, Phipps, wir haben es ja noch
nicht, das Geld.«
»Aber wir kriegen es. Und zwar
sehr bald. Morgen starte ich nach London. Spätestens am Wochenende bin ich
wieder zurück. Mit Schlüssel, versteht sich. Und dann fahren wir zwei beide
nach Zürich und knacken unseren Tresor. Klar?«
Marcel de Grandlieu war ein
gepflegter Sechziger. Mit seinen silberweißen Haaren, dem angegrauten
Schnurrbart und der dunkelroten Gesichtsfarbe sah er aus wie eine lebende
Cognacreklame. Er besaß auch einiges von dem Naturell eines fröhlichen Zechers.
Momentan jedoch machte er ein so saures Gesicht, als habe er Zitronen
gefrühstückt. Er saß im Direktionsbüro des Ausstellungsgeländes von Earl Court
und starrte mißgelaunt aus dem Fenster. Draußen lag London. Der Himmel von
London machte keinerlei Anstalten, seinen schlechten Ruf aufzubessern: er war
mausegrau, häßlich und tropfte. Monsieur de Grandlieu wollte gerade voller
Sehnsucht an den Himmel von Paris denken, da klingelte das Telefon. Er nahm den
Hörer ab und bellte hinein: »Ich bin nicht da! Für keinen Menschen auf der Welt
bin ich da. Verstanden?«
»Der Mann ruft vom
französischen Konsulat aus an«, quäkte die Stimme der Vorzimmerdame durch den
Hörer, »er sagt, er sei soeben aus Deutschland angekommen, und es ist sehr
wichtig.«
»Wichtig für ihn oder für mich?!«
knurrte Grandlieu gereizt.
»Wichtig für Sie.«
»Sagen Sie ihm, er soll gegen
vier kommen. Da bin ich nicht mehr da.« Er knallte den Hörer auf die Gabel und
wandte sich an das bildhübsche Mädchen, das auf der anderen Seite des
Schreibtisches saß. »Wo waren wir stehengeblieben, Florence?« fragte er müde.
»Bei Wollust, Qual und Ruhe,
Papa«, sagte
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