Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
das bildhübsche Mädchen und sah von seinem Stenogrammblock auf. Es
hatte kastanienbraunes Haar, das sie in Form eines Pferdeschwanzes trug. Seine
Augen waren veilchenblau. Auf der leicht nach oben zeigenden Nase tummelten
sich winzige Sommersprossen. Es wirkte merkwürdig alterslos und konnte sechzehn
wie sechsundzwanzig sein. Es war achtzehn.
»Bei was?« fragte Monsieur
Grandlieu irritiert. »Vielleicht liest du mal den ganzen Satz.«
»…darf man das Bett getrost als
eine Bühne bezeichnen«, las Florence, »auf der die großen Ereignisse des Lebens
in Szene gehen, nämlich Zeugung, Geburt und Tod, also als einen Ort der
Wollust, der Qual und der Ruhe.«
»Wie findest du das?« Grandlieu
gab der Löschwiege einen nervösen Schubs, so daß sie heftig auf und ab schwang.
Er stellte sich vor, sie wäre ein Bett. Er konnte sich gar nichts anderes mehr
vorstellen.
»Vielleicht sollten wir die
Silbe ›Wol‹ streichen. Lust genügt, finde ich«, sagte Florence ernsthaft.
»Streiche sie! Ich habe ganz
vergessen, daß wir in England sind. Und nicht in Frankreich. In England ist
›Lust‹ schon eine maßlose Übertreibung.« Er schwieg einen Moment. »Florence,
also ehrlich gesagt, ich kann diese Ansprache nicht halten! Ich bin kein
Redner, und dann noch dieses Thema, also...«
»Bitte, Papa«, sagte Florence
und betonte die zweite Silbe von Papa, »versprich mir, daß du nachher noch
einmal übst. In zwei Stunden ist die Presseführung. Da brauchst du nicht
dabeizusein. Ich werde dich vertreten, und zwar würdig.«
»Na, ich weiß nicht«, krächzte
Grandlieu. Er war etwas heiser. So oft hatte er seine Rede bereits geredet. Er
erhob sich mühsam, trat ans Fenster und sah voller Haß auf die regenfeuchten
Dächer. Er hatte London nie gemocht. Vom Wetter einmal ganz abgesehen, allein
die Küche war eine Beleidigung. »Weißt du, was der große Karl nach der
Niederlage von Poltawa gemacht hat, Florence?«
»Er begab sich in die Türkei,
legte sich ins Bett und blieb genau sechzehn Monate darin«, sagte Florence, die
die Scherze ihres Vaters kannte.
»Genau das möchte ich jetzt
tun, mein Kind.«
»Das wirst du aber nicht tun,
sondern die Rede halten.«
»Nein«, sagte Grandlieu
verstockt.
»Papa, wenn Mama hier wäre...«
»Mama ist nicht hier, Mama lebt
in Cannes. Und zwar über ihre Verhältnisse, wie ich sie kenne. Alle lebt ihr
über eure Verhältnisse, alle! Und wenn ich jetzt den Familienschmuck anbieten
müßte...«
»Siehst du, Papa«, sagte
Florence schmeichelnd, »da sagst du es nun selbst, daß du deine Rede halten
mußt. Sonst wählen sie sich nämlich einen anderen Präsidenten, und dann müssen
die Grandlieus noch mehr Familienschmuck verkaufen.«
»Es ist ohnehin der letzte. Ich
weiß genau, wie schlecht unsere Finanzen stehen. Aber was den Präsidenten
betrifft...«
»Herr Präsident, der Mann, der
vorhin angerufen hatte, wartet draußen.« Die Vorzimmerdame steckte ihren Kopf
ängstlich zur Tür herein. »Er sagt, der Herr Präsident würde es bereuen, wenn
der Herr Präsident ihn nicht empfange. Er habe für den Herrn Präsidenten eine
ganz besondere Überraschung.«
Grandlieu beherrschte sich
mühsam und sagte: »Fragen Sie ihn, wie er heißt und in welcher Angelegenheit er
kommt.«
Die Vorzimmerdame war nach
einer Minute wieder zurück. »Er ist ein Engel, ein Mister Philipp Engel, meine
ich. Er sagt, er käme wegen einer Bettengeschichte.«
Grandlieu sah Florence an und
stöhnte: »Habe ich es dir nicht gesagt— ein Erfinder! Der hat bestimmt einen
Atomwecker oder einen Pantoffel, der ›Guten Morgen« sagt.« Er wandte sich an
die Vorzimmerdame. »Sagen Sie ihm, ich sei in einer Konferenz.«
Die ledergepolsterte Doppeltür
schloß sich, und sie waren wieder allein. Grandlieu nahm seinen Hut, seinen
Mantel und seine Aktentasche. »Ich bin jetzt nicht in Stimmung für
Bettenerfinder, ma chérie«, sagte er. Und sie verließen das Direktionsbüro
durch die rückwärtige Tür.
Eine Audienz beim Papst, dachte
Philipp Engel, muß leichter zu erlangen sein als eine Unterredung mit einem
Bettenpräsidenten. Phil wirbelte seinen teuren Camber auf der Spitze seines
Zeigefingers hemm wie ein Jongleur und starrte auf das Plakat an der
Fensterwand. DAS BEIT IN FÜNF JAHRTAUSENDEN stand auf dem Plakat. Ein
französischer Graphiker hatte es entworfen. Das Plakat zeigte ein Himmelbett,
auf dessen schwellenden Kissen eine Frau dem Morgen entgegenträumte. Ihr
Nachthemd war verrutscht, die
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