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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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zurück. Er vergaß nicht,
sorgfältig die Verbindungstür zu verschließen. Er legte sich auf die
Lottercouch der Pompadour und sagte laut in die nächtliche Stille hinein: »Das
wäre noch mal gutgegangen.« Dann schlief er sanft ein.
    Florence konnte nicht
einschlafen. Das »Gute Nacht, Schwesterchen!« dröhnte in ihren Ohren. Was der
Kerl sich einbildete, schließlich wurde sie in sechs Wochen achtzehn.
Schließlich war sie eine Frau, jawohl! Kein Mann brauchte sie wie eine
Schwester zu behandeln.
    Gegen halb drei Uhr schreckte
Florence hoch. Sie fror erbärmlich. Sie stand auf und tastete sich von einem
frühmittelalterlichen Bett zum anderen. Sie fand die Tür zur Halle 5
verschlossen. Das Fenster rechts daneben aber ließ sich öffnen. Sie kroch
hindurch. Das Licht der Neonreklame flatterte durch die großen Oberlichter. Wie
in einem Horrorfilm, dachte Florence und hatte plötzlich Angst. Sie fand das
Himmelbett der Pompadour und kroch unter dem schweren Vorhang hindurch. Dort
lag er, der Schuft, und schnarchte leise vor sich hin. Dir werde ich zeigen,
was eine Frau ist. Einen Augenblick werde ich mich allerdings erst ausruhen,
nur einen Augenblick, sie gähnte herzzerreißend, nur einen ganz kleinen
Augenblick. Sie ließ sich auf die kühle, weiche Matratze sinken, die Kurtisanen
hatten es viel besser als die Nonnen. Also wenn ich damals die Wahl gehabt
hätte... Und das war ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen.
     
    Sie waren im Direktionsbüro des
Ausstellungsgeländes von Earls Court.
    »Ich denke, wir machen jetzt
die letzte Inspektion, Mr. Grandlieu«, sagte der Gentleman im schwarzen Gehrock
und ließ den Deckel seiner goldenen Repetieruhr aufspringen. Sie entstammte dem
Viktorianischen Zeitalter. Auch der Gentleman im Gehrock schien dem
Viktorianischen Zeitalter zu entstammen. Er wirkte ausgesprochen museal mit der
gestreiften Hose, dem steifen Hut und dem riesigen zusammengerollten
Regenschirm. Es war der Präses des englischen Zweiges des »Verbandes der
europäischen Bettenindustriellen«.
    Marcel de Grandlieu hielt mit
der einen Hand die Sprechmuschel des Telefons zu und sagte: »Einen Moment,
Sir.« Er nahm die Hand wieder weg und sprach in die Muschel: »Ja, was heißt
hier Barbummel. Es ist jetzt neun Uhr. Ich beginne mir langsam Sorge um meine
Tochter zu machen. Es ist sonst gar nicht ihre Art. Also, wenn sie im Hotel
eintrifft, möchte sie mich auf der Stelle anrufen. Danke.« Er legte den Hörer
auf und wandte sich an den Gehrock: »Pardon, Monsieur. Eine private
Angelegenheit.«
    »Ich bitte Sie, Mr. Grandlieu«,
sagte der Gehrock höflich. Es klang wie »Grändelju«, und Marcel zuckte
schmerzhaft zusammen. Er haßte es, wenn jemand die französische Sprache
vergewaltigte. Die französische Sprache war die schönste Sprache der Welt. Aus
diesem Grund war sein Englisch auch so schlecht. Es lohnte sich einfach nicht,
in fremden Zungen zu reden.
    Sie verließen das
Direktionsbüro und schlugen den Weg zu den Hallen ein. Am Haupteingang fuhr
gerade ein Lastwagen vor und brachte Lorbeerbäumchen. Wie bei allen
Ausstellungen war man erst im letzten Augenblick fertig geworden.
    »Für die Rednertribüne«, sagte
der Gentleman im Gehrock und wies mit dem Schirm auf die Bäumchen.
    Marcel de Grandlieu durchfuhr
es heiß. An seine Rede hatte er gar nicht mehr gedacht. Vor lauter Sorge um
Florence. Kommt einfach die Nacht nicht nach Hause, das Mädchen. Er wollte
seinen Begleiter schon darauf ansprechen. Aber dann ließ er es. Mit Engländern
konnte man sich nur über das Wetter unterhalten. Sie gingen langsam durch die
Hallen i und 2. Drei Meter hinter ihnen trottete Miß Lyders, die Vorzimmerdame.
Sie war bewaffnet mit einem Stenogrammblock und bereit, die geringste
Beanstandung zu notieren. Es gab nichts zu beanstanden.
    Das heißt, in Halle 4 stieß
Monsieur Grandlieu auf einen zerknüllten Trenchcoat. Er lag auf einer hölzernen
Kastenliege aus dem Nonnenkloster zu Karmel. »Nehmen Sie das da weg«, sagte er
indigniert zu Miß Lyders. Miß Lyders tat es.
    In Halle 5 stellte Monsieur de
Grandlieu fest, daß die scharlachroten Samtvorhänge am goldenen Bett der
Pompadour zugezogen waren. Er trat näher und entdeckte zwei herrenlose
Damenschuhe. Mit den Absätzen nach oben, so als habe sie ihre Besitzerin hastig
von ihren Füßen gestreift, lagen sie auf dem Bettvorleger aus Straußenfedern.
Er ging um das Bett herum und fand zwei herrenlose Herrenschuhe.
     
    Philipp Engel lag im Himmelbett
der

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