Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Vertreterinnen des britischen Hausfrauenverbandes im Blauen Salon zu
einer Fragestunde.«
»Parbleu«, sagte Monsieur de
Grandlieu, schließlich war er Franzose, »das hätte ich in der Tat vergessen. In
der Tat.«
»Verlier die Nerven nicht,
Papa«, sagte Philipp und klopfte ihm herzlich auf die Schultern. »Wir können
unsere Aussprache auch später abhalten.«
»Wann schlagen Sie vor?« fragte
Grandlieu mit waidwundern Ausdruck. Das dritte »Papa« innerhalb von zwei
Minuten gab ihm den Rest.
»Ich dachte, wir gehen zu
Wheeler’s in Old Compton Street. Die haben leckere Schalentiere. Sagen wir
gegen zwei?«
»Ich werde dort sein.« Er
wandte sich ab und rief über die Schulter zurück: »Auf Wiedersehen,
Monsieur...«
»Engel«, sagte Philipp und zog
den Knoten seiner Krawatte fest. Er war jetzt fertig mit seiner Toilette.
»Philipp P. Engel. Ich nehme an, der Name sagt dir was, lieber Papa.«
Monsieur de Grandlieu hob mit
einem unbeschreiblichen Ausdruck Augenbrauen und Schultern und strebte dem
Ausgang zu. Der Gentleman im schwarzen Gehrock folgte ihm. Florence flüsterte:
»Kein Mensch glaubt mir das in meiner Klasse.« Miß Lyders notierte es.
Als Philipp mit einer
Viertelstunde Verspätung bei Wheeler’s in Old Compton Street eintraf, saß
Grandlieu bereits dort und trommelte mit den Fingern der rechten Hand die
Marseillaise auf den Tisch. Seine Nervosität hatte einen doppelten Grund. Da
war dieser Engel, und da war dieser Amerikaner, der ihm für den Familienschmuck
einen phantastischen Preis geboten hatte. In Bargeld! Dieser Parvenü hatte
plötzlich aus heiterem Himmel sein Desinteresse bekundet.
»Wie war die Rede, alles
geklappt?« fragte Philipp mit gewinnendem Lächeln und hängte seinen Schirm mit
der Krücke an die Stuhllehne. »Scheußlich so was, wie? Nirgends wird mehr
Bla-Bla geredet als auf solchen Eröffnungsfeiern.«
»Ich erwarte von Ihnen keinen
Unterricht über Rhetorik, Monsieur, ich erwarte zuallererst eine Ehrenerklärung
für meine Tochter Florence. Was ist geschehen in der vergangenen Nacht?«
»Nichts!« sagte Philipp
schlicht, »rein gar nichts.«
»Ein junger Mann verbringt mit
einem jungen Mädchen eine Nacht im Bett der Pompadour, und es geschieht nichts,
rein gar nichts. Pah!« Grandlieu zerbrach wütend den Zahnstocher, mit dem er
Löcher in die Tischdecke gebohrt hatte. »Wenn das so war, dann bewundere ich
Ihre Charakterstärke, Monsieur. Ich hatte sie nicht, als ich so alt war wie
Sie.«
»Hätten Sie sie auch dann nicht
gehabt, wenn Sie kurz vor dem Zubettgehen erfahren hätten, daß das junge
Mädchen Ihre Halbschwester ist?« Philipp sah ihn ernst an. »Daß beide
Bettgenossen also einen gemeinsamen Vater haben.«
Marcel de Grandlieu sprang auf
und stieß sein Glas um. Die schwärzliche Flüssigkeit des Porterbiers kroch über
die Tischdecke. »Wollen Sie damit sagen, daß ich in Ihnen ein... äh, ein
unehelich gezeugtes Kind sehen muß?« Seine Erregung stand in einem lächerlichen
Gegensatz zu seiner gestelzten Sprache.
»So könnte man es auch
ausdrücken«, sagte Phil. Er nahm die Serviette und tupfte die Feuchtigkeit auf.
Grandlieu setzte sich wieder.
»Warum nehme ich Sie eigentlich ernst, das ist ja alles völlig idiotisch.« Er
tupfte sich mit dem Taschentuch über die Stirn und überlegte, was dieser Mensch
von ihm eigentlich wollte. Ihn erpressen mit dieser faustdicken Lüge? Aber
vielleicht war es gar keine Lüge. Kein Mann ist sich da so ganz sicher. Man war
schließlich viel herumgekommen in der Welt. Die zwei Jahre in Kairo bei der
Botschaft zum Beispiel. Er warf einen abschätzenden Blick auf sein Gegenüber.
»Also, was wollen Sie von mir, Monsieur Engel?« fragte er endlich.
»Vor allen Dingen will ich erst
mal mit Ihnen essen«, sagte Phil und reichte Grandlieu die in Pergament
gebundene Karte. Sie bestellten bei dem ledergeschürzten Kellner eine
Fischsuppe und Steaks mit Chips. Zwischen Fisch und Fleisch erzählte Philipp
dem Monsieur Grandlieu seine Geschichte. Er sprach von seiner Jugend in
Heidelberg, von seinen Amouren, vom Rausschmiß durch den Vater, der ja nun gar
nicht sein Vater war, von dem Leben in Amerika, von seiner plötzlichen Rückkehr
in die Heimat, von dem Geständnis der Mutter und dem Zeitungsausschnitt. Er
erzählte alles, nur von dem Erbe erzählte er vorerst nichts.
»Monsieur Engel«, sagte Marcel
de Grandlieu und atmete hörbar auf. Kairo kam also nicht in Frage. »Monsieur
Engel, es ist dies eine
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