Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Pompadour und träumte von einem Mädchen namens Kitticat Finnegan aus
Pittsburgh. Sie war dort eine Zeitlang seine Geliebte gewesen, und er hätte sie
längst vergessen, wenn Kitticat Finnegan nicht die Eigenschaft gehabt hätte,
während des gemeinsamen Schlafes mit den Knien zu drängeln. Nun drängelte sie
auch in seinem Traum. Und zwar mit einer unglaublichen Beharrlichkeit. Philipp
wehrte sich verzweifelt, es half ihm nichts, Zentimeter für Zentimeter wurde er
dem Bettrand zugeschoben. Er schaute über den Rand hinaus und erschauerte: das
Bett stand auf dem Matterhorn. Ihm wurde schwindlig, er verlor das
Gleichgewicht— und Fühlte sich im nächsten Augenblick von einer Hand
zurückgerissen.
Philipp erwachte und stellte
fest, daß die Hand auf seiner rechten Schulter lag. Er blinzelte den Arm
entlang nach oben und schaute in das wütende Gesicht eines schnurrbärtigen
Mannes.
»Was machen Sie hier?« brüllte
der Mann.
Eine berechtigte Frage, dachte
Philipp schlaftrunken, aber verdammt schwer zu beantworten. »Und was machen Sie
in meinem Traum?« stellte er erst einmal die Gegenfrage.
»Wenn Sie nicht sofort
aufstehen, hole ich die Polizei«, sagte Monsieur de Grandlieu, dem das Gesicht
mit dem Schnurrbart gehörte.
»Shocking!« sagte der Gentleman
im Gehrock und stampfte mit dem Schirm auf.
Miß Lyders notierte es.
In diesem Moment wurde es unter
der rohseidenen Damastdecke neben Philipp lebendig. Florence de Grandlieus Wuschelkopf
fuhr heraus wie ein Kastenteufel. »Bitte, keine Polizei!« flehte sie.
Es war schwer zu sagen, wer in
diesem Augenblick ein dümmeres Gesicht machte: Monsieur de Grandlieu oder
Philipp. Grandlieu faßte sich als erster.
»Du, Florence?« sagte er. Es
klang ziemlich pathetisch. Die Mitglieder der Comédie française pflegten so zu
sprechen, wenn sie Racine spielten.
»Ja, Papa!« sagte Florence.
»Wieso Papa?« echote Phil. Er
schaute Florence an. Er starrte den Mann mit dem Schnurrbart an. Irgend etwas
dämmerte ihm. Dann wußte er es: Der Mann mit dem Schnurrbart und der
bordeauxroten Gesichtsfarbe war Monsieur de Grandlieu. Und damit Florences
Vater. Und damit...
Mit einem Satz war er aus dem
Bett. Er schloß hastig den Gürtel seiner Sakkohose und griff nach seinem
Jackett.
»Ich glaube, Sie sind mir eine
Erklärung schuldig, Monsieur«, sagte Grandlieu. Diesmal klang es wie aus einem
Boulevardstück von Sardou.
»Ja, Papa«, sagte Philipp und
schloß den obersten Knopf seiner Sakkohose.
»Wie bitte?« Grandlieu sah sich
ratlos um. War er hier in einem Irrenhaus? Hatte er sich vielleicht durch diese
Eröffnungsrede etwas übernommen? Dann glaubte er verstanden zu haben. Der Kerl
wollte die Konsequenzen ziehen und seine Tochter heiraten, fühlte sich
sozusagen schon als Schwiegersohn. »Lassen Sie jetzt diese Faxen und folgen Sie
mir in mein Büro.«
»Genau das wollte ich
vorschlagen, Papa«, sagte Philipp. Erwies mit einer Kopfbewegung auf den
Gentleman im Gehrock und Miß Lyders. »Für die Geschichte, die ich dir zu
erzählen habe, brauchen wir keine Zeugen.« Und würdevoll fügte er hinzu: »Es
geht nur unsere Familie etwas an.«
Monsieur de Grandlieu holte
tief Atem, blies die Backen auf und stieß die Luft mit einem hörbaren Geräusch
wieder aus. »Es geht nur unsere Familie etwas an«, wiederholte er lautlos. Der
Fall lag klar. Nie, dachte er, hätte ich Florence so etwas zugetraut. Sie war
doch noch ein Kind, ein armes, unwissendes, unschuldiges Kind. Also unschuldig
war sie nun nicht mehr! Man hatte sie eben nicht streng genug gehalten. Das war
jetzt die Quittung. Im Geist sah er das vorwurfsvolle Gesicht seiner Frau. Er
riß sich zusammen und sagte genau dasselbe, was er heute bereits einmal zu
seinem englischen Präsidialkollegen gesagt hatte: »Pardon, Monsieur, eine
private Angelegenheit.«
Der verbeugte sich und sagte:
»Ich bitte Sie, Mr. Grandlieu.« Es klang wie »Grändelju«, aber diesmal fiel es
Marcel nicht auf.
Zu Florence sagte er: »Du gehst
in dein Hotel und verläßt dein Zimmer nicht.«
Er schaute auf seine Uhr. Heute
mittag war die Feierstunde zur Eröffnung der Ausstellung. Es war klar, daß er
damit auf die zweite Katastrophe des noch so jungen Tages zusteuerte. Seine
Rede war ihm gänzlich entfallen. Er sagte zu Philipp: »Folgen Sie mir in mein
Büro. Ich habe genau zwanzig Minuten Zeit für Sie.«
Miß Lyders hob den Finger wie
ein Schulmädchen. »Sie haben keine Zeit, Monsieur. In fünf Minuten versammeln
sich die
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