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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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uniformähnlichen Rock mit Aufsätzen. In der rechten Hand hielt er einen Spazierstock mit Elfenbeingriff.
    Sein Blick überflog die angetretenen Dienstboten und blieb schließlich auf seiner Mutter haften, die ihn oben auf der Freitreppe erwartete.
    Bevor er zu ihr hochstieg, nahm er das Weinglas entgegen, das Imma ihm reichte, und sah sie anzüglich lächelnd an. »Du kannst mir später eine Flasche Wein in mein Zimmer bringen und dort auf mich warten.«
    »Gerne, gnädiger Herr!« Imma knickste und warf der Mamsell einen höhnischen Blick zu, denn sie hoffte, wenn sie Diebold gewähren ließ, einige Privilegien zu erhalten, die sie von den übrigen Dienstboten abhoben.
    Erst als er die Freitreppe hochstieg und sich vor seiner Mutter verbeugte, erinnerte Diebold sich wieder an Gisela und daran, dass sie sich ihm bei seinem letzten Besuch zu Hause entzogen hatte. Diesmal würde sie ihm gehorchen müssen, sagte er sich. Doch das hatte Zeit. Erst einmal reichte ihm Imma.
    »Ich wünsche Euch einen guten Tag, liebste Frau Mama«, grüßte er.
    Elfreda von Renitz war kurz davor, ihren Sohn in die Arme zu schließen, verzichtete dann aber auf dieses bürgerliche Gehabe, wie sie es nannte, und reichte Diebold die Hand zum Kuss. »Willkommen zu Hause, mein Sohn. Ich hoffe, du hattest eine gute Reise.«
    »Sehr wohl! Pastor Künnen hat sich als ausgezeichneter Reisemarschall erwiesen.«
    »Dann ist es gut!« Ein zufriedenes Lächeln spielte um die Lippen der Gräfin, als sie weitersprach. »Dein Vater wünscht dich zu sehen, und nicht nur dich. Fichtner soll ebenfalls vor ihm erscheinen!«
    Es klang so ungeduldig, dass Walther, der als Letzter ausgestiegen war, hastig an dem Pastor vorbeiging und auf Elfreda von Renitz zutrat. An seiner Verbeugung hatte die kritische Dame nichts auszusetzen. Sie musterte den jungen Mann und hatte das Gefühl, ihn jetzt zum ersten Mal richtig zu sehen. Er war eine gute Handbreit kleiner als ihr Sohn, hatte aber breitere Schultern und ein ernstes, beherrschtes Gesicht, aus dem zwei blaue Augen aufmerksam in die Welt blickten.
    »Du hast dich herausgemacht, Walther«, erklärte die Gräfin mit einem Gefühl der Unruhe. Sie winkte den beiden jungen Männern, mit ihr zu kommen, und führte sie in den Salon ihres Gemahls.
    Medard von Renitz saß mit einer um die Beine geschlungenen Decke in seinem Sessel und blickte Diebold und Walther bemerkenswert munter entgegen. »Willkommen zu Hause, ihr zwei! Ihr werdet froh sein, den staubtrockenen Hörsälen der Universität den Rücken kehren zu können. Ich freue mich, dass ihr beide gut abgeschlossen habt. Doch nun beginnt für euch ein neuer Lebensabschnitt. Du, Diebold, wirst deine Mutter und mich nach Meran begleiten und dort mit uns den Winter verbringen. Anschließend wirst du deine Kavalierstour machen und dir dabei weltmännischen Schliff aneignen.«
    »Sehr gerne, Erlaucht!« Diebold verbeugte sich zufrieden, denn das hieß, etliche Monate unterwegs sein und sein Leben so führen zu können, wie er es sich vorstellte.
    Sein Vater war jedoch noch nicht fertig. »Zuerst hatte ich überlegt, Walther mit dir zu schicken, doch muss ich deiner Mutter recht geben, dass er sich für die ihm erwiesene Gunst durch treue Arbeit würdig erweisen soll.«
    Walther trat einen Schritt vor und verbeugte sich. »Dazu bin ich gerne bereit, Euer Erlaucht.«
    »Das weiß ich«, erklärte Medard von Renitz und überließ das Weitere seiner Gemahlin.
    Gräfin Elfreda wandte sich mit kalter Miene an Walther. »Unser Förster ist derzeit krank. Daher haben Seine Erlaucht beschlossen, dich Stoppel als Helfer zuzuteilen, bis er wieder genesen ist.«
    Das war ein herber Schlag für Walther. Er hatte Philosophie und Ökonomie studiert und dabei viel Wissen erworben. Nun sollte er als Wildhüter arbeiten? Das konnte nun wahrlich jeder Knecht nach einer gewissen Einarbeitung. Aus den Blicken, die Gräfin Elfreda und ihr Sohn einander zuwarfen, las er heraus, dass die beiden schon länger geplant hatten, ihn auf diese Weise zu demütigen. In diesem Augenblick hätte er ihnen am liebsten ins Gesicht gesagt, was er von ihnen hielt, doch die Selbstbeherrschung, die er sich jahrelang auferlegt hatte, verhinderte es. Er verbeugte sich knapp vor dem Grafen und noch knapper vor dessen Frau und Sohn und verließ das Zimmer.
    Im Hinausgehen hörte er Diebolds zufriedene Stimme. »Endlich steht dieser Bastard auf dem Platz, an den er gehört!«

12.
    G räfin Elfredas Drängen hatte es

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