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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sein Auskommen hatte, stachelte allein der Gedanke an Diebold von Renitz seinen Ehrgeiz, die Neue Welt für sich zu erobern, immer wieder an. Der junge Graf war ein schlechter Fähnrich gewesen, ein miserabler Schüler und ein jämmerlicher Student. Als Dienstherr würde Diebold auch nicht besser sein. Außerdem war da noch Gisela. Zurzeit befand Diebold sich auf Reisen, doch irgendwann würde er als Herr nach Hause zurückkehren, und Walther konnte sich nicht vorstellen, dass der junge Renitz das Mädchen in Ruhe lassen würde. Das ließ schon Diebolds Eitelkeit nicht zu.
    Am Forsthaus wurde er von Stoppel begrüßt. Dieser hatte seinen Posten als Förster bereits im letzten Jahr aufgegeben, erhielt jedoch auf Befehl des Grafen das Gnadenbrot.
    »Ich sehe, du hast ein prachtvolles Jungtier geschossen. Dann kann die geplante Festlichkeit im Schloss wohl stattfinden«, sagte Stoppel mit brüchiger Stimme.
    Walther sah ihn besorgt an. Nichts an dem Mann erinnerte mehr an den kraftvollen Förster, der Gisela und ihn vor Jahren vor Landstreichern gerettet hatte. Stoppel war mager geworden, der Blick trübe, und die Haare hatten sich lange vor der Zeit weiß gefärbt. Außerdem wurde er seinen Husten nicht mehr los. Auch wenn er es zu verbergen suchte, so hatte Walther doch bemerkt, dass sich sein Sacktuch dabei rot färbte.
    »Der Hirsch allein wird für das Fest nicht genügen. Da müssen Cäcilie und ihre Helferinnen schon mehr auf den Tisch bringen«, antwortete er mit aufgesetzter Fröhlichkeit.
    »Du solltest den Grafen bitten, dir zwei Jagdknechte zur Seite zu stellen. Der Forst ist für einen Mann allein viel zu groß.«
    Obwohl Stoppel recht hatte, schüttelte Walther den Kopf. »Das schaffe ich schon! Wenn ich einmal Hilfe brauche, will ich mir die Leute selbst aussuchen können. Ihre Erlaucht würde mir doch nur die größten Taugenichtse unter den Dienstboten schicken.«
    … und die müsste ich auch noch aus der eigenen Tasche bezahlen, setzte Walther für sich hinzu. Dazu war er nicht bereit. Jeder Groschen, den er für Knechte und Waldarbeiter würde ausgeben müssen, fehlte ihm hinterher für sein großes Ziel. Doch das war etwas, was er höchstens mit Gisela besprechen konnte.
    Nachdem er noch ein paar Worte mit seinem Vorgänger gewechselt hatte, legte er den Hirsch auf eine Schubkarre und packte die Holme. »Ich bringe das Wildbret zum Schloss.«
    »Das sollte ein Knecht für dich übernehmen. Was gibt das für ein Bild ab, wenn der Förster des Grafen selbst die Schubkarre schiebt?«, tadelte Stoppel ihn.
    Walther lachte leise auf. »Die Diener im Schloss sind sich zu fein für eine solche Arbeit, und bis ich zum Gut gelaufen bin, um einen Knecht zu holen, würde zu viel Zeit vergehen. Außerdem müssen die meisten Gutsleute im Schloss mithelfen, die Feierlichkeit vorzubereiten.«
    »Die Gräfin betreibt einen Aufwand, als würde der junge Herr zurückkommen.«
    »Das nicht, aber sie hat etliche Herrschaften eingeladen, deren Töchter sie begutachten will. Sobald Graf Diebold von seiner Kavalierstour zurückkehrt, will sie ihm eine passende junge Dame als Braut vorstellen.«
    Für einen Augenblick musste Walther grinsen, denn er stellte sich Diebolds Gesicht vor, wenn dieser erfuhr, dass er in den heiligen Stand der Ehe treten sollte, und zwar mit einer jungen Frau, die nicht er, sondern seine Mutter ausgewählt hatte.
    Unterdessen wanderten Stoppels Gedanken in eine andere Richtung. »Eigentlich hättest du Graf Diebold auf seiner Kavalierstour begleiten sollen. Bedauerst du sehr, dass es nicht dazu gekommen ist? Du hättest Städte wie Wien, Venedig, Rom, Mailand, Madrid, Paris, London und viele andere kennenlernen können.«
    Walther schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich es bedauern? Hier im Forsthaus habe ich ein schönes, ruhiges Leben, während ich dort nur den Diener und den Laufburschen für den jungen Renitz hätte abgeben müssen. Nein, Herr Stoppel, darauf verzichte ich gerne. Aber nun muss ich los, denn Frau Frähmke wird nicht auf ihr Wildbret verzichten wollen. Gott befohlen!«
    Eine geraume Weile führte der schmale Pfad durch dichten Wald, doch dann blieben Bäume und Gebüsch hinter Walther zurück, und er sah das prachtvolle Grafenschloss vor sich. Im Grunde, dachte er, hätte Diebold glücklich sein müssen, in solch guten Verhältnissen leben zu dürfen. Doch der junge Renitz wusste es nicht zu schätzen und war in Walthers Augen nicht würdig, ein solches Erbe anzutreten. Auch

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