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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Walther unmöglich gemacht, nach Gisela Ausschau zu halten. Als er nun kochend vor Wut das Schloss verließ, sah er sich auf einmal einer jungen Frau gegenüber, die in Tracht und Kopftuch wie eine Bauernmagd aussah. Das apart geschnittene Gesicht rief jedoch eine Erinnerung in ihm wach.
    »Gisela?«
    Das Mädchen lachte leise auf. »Ich dachte schon, du würdest mich nicht mehr erkennen. Willkommen zu Hause, Walther!«
    »Zu Hause?« Walther winkte heftig ab. »Das hier ist nicht mein Zuhause und wird es niemals sein. Sobald ich dazu in der Lage bin, werde ich Renitz verlassen.«
    »Du willst gehen?« Gisela seufzte tief. »Du Glücklicher! Ich wollte, ich könnte es auch.«
    »Warum tust du es nicht?«
    Das Mädchen lachte erneut, doch diesmal lag keine Freude darin. »Keiner der Bauern in dieser Gegend würde mich in seine Dienste nehmen, weil alle Angst vor der Gräfin haben. Ich müsste weit weggehen, doch dafür bräuchte ich Papiere, die mich ausweisen, damit ich nicht als Landstreicherin verhaftet und eingesperrt werde. Diese aber bekomme ich nicht. Dafür hat Ihre Erlaucht schon gesorgt!«
    »Sie ist ein boshaftes Weib«, brach es aus Walther heraus.
    Sofort legte Gisela ihm die Hand auf den Mund. »Sei vorsichtig, was du hier sagst. Sie hat viele Zuträger und kann sehr rachsüchtig sein.«
    »Wem sagst du das? Ich habe ihre Bosheiten oft genug erlebt.« Für einen Augenblick ließ Walther den Kopf hängen, während Gisela eine verächtliche Miene zog.
    »Sie verargt dir, dass du bei Waterloo ihren Gemahl gerettet hast und dadurch zum Helden geworden bist. Viel lieber wäre es ihr gewesen, ihr Sohn hätte die Tat vollbracht. So aber hast du ihren Liebling in den Schatten gestellt. Das hast du auch beim Unterricht durch Pastor Künnen getan und, wie man hört, sogar beim Studium. Graf Diebold ist ihr Gott, und du kennst das erste Gebot!«
    »Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Ich weiß! Aber ich habe ihrem Sohn nichts weggenommen, sondern ihm ganz im Gegenteil geholfen, das Studium überhaupt zu schaffen«, rief Walther empört aus.
    »Und ihn damit noch mehr beschämt! Er müsste dir dafür dankbar sein, doch Graf Diebold ist keiner, der irgendjemandem dankbar sein will.«
    Walther sah sie erstaunt an. »Für ein kleines Mädchen bist du erstaunlich klug!«
    Das »kleine Mädchen« kränkte sie, und so drehte sie sich halb von ihm weg. »Man muss nicht studiert haben, um das Offensichtliche zu erkennen. Aber was wirst du jetzt tun?«
    »Ich werde Förster Stoppel als Helfer zugeteilt«, sagte Walther in einem Ton, als bedeute dies zwanzig Jahre Kerkerhaft.
    »Er wird sich freuen, denn er mag dich«, antwortete Gisela. »Allerdings solltest du achtgeben. Manchmal ist er nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. Nicht, dass er dich für einen Kosaken hält, der ihm den Kopf abschlagen will, und dich deswegen erschießt.«
    »Steht es so schlimm um ihn?«
    »Bedauerlicherweise ja! Er kann seiner Arbeit nur noch stundenweise nachgehen und hat Unterstützung wahrlich nötig. Er tut mir sehr leid, nicht zuletzt …«
    »Was nicht zuletzt?« Diesmal beharrte Walther darauf zu erfahren, weshalb sie schon wieder einen Satz abgebrochen hat.
    »Nun ja«, antwortete sie mit sanfter Stimme. »Frau Frähmke, die Mamsell, wenn du dich noch erinnerst, hatte gehofft, aus Herrn Stoppel und mir könnte ein Paar werden.«
    Diesen Hieb musste sie Walther versetzen.
    Der junge Mann schüttelte ungläubig den Kopf. »Du willst heiraten?«
    »Was ist daran so verwunderlich? Die meisten Mädchen wollen das. Selbst schlichte Mägde hoffen, dass ein Mann sie nimmt. Und Herr Stoppel wäre für mich eine gute Partie gewesen. Bedauerlich, dass nichts daraus werden kann.«
    Gisela wusste selbst nicht, weshalb sie die Federn so aufstellte. Dabei hatte sie sich gefreut, Walther wiederzusehen. Doch ihr Jugendfreund schien sich nur für die Kränkungen durch die Gräfin zu interessieren, während sie ihm überhaupt nichts galt.
    Ein Gefühl der Fremdheit machte sich zwischen beiden breit. Fast schien es, als hätte es nie eine Zeit gegeben, in der sie einander ihre geheimsten Gedanken anvertraut hatten. Da ließen Schritte sie aufhorchen.
    Es war Diebold. Zwar hatte er nicht nach Gisela gesucht und wäre auch beinahe an ihr vorbeigelaufen. Mit einem Mal aber stutzte er und sah sie genauer an.
    »Wenn das nicht Gisela ist! Meiner Treu, was soll dieses hässliche Kleid? Ich werde der Mamsell sagen, dass ich dich darin nicht mehr sehen

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