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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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will. Du kannst mir heute Abend das Bett aufschlagen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich das tun werde«, antwortete Gisela mühsam beherrscht.
    Diebold trat auf sie zu, schob ihr das Kopftuch in den Nacken und wickelte eine ihrer schwarzen Locken um den rechten Zeigefinger. »Bei Gott, das wirst du! Ich müsste sonst der Mamsell sagen, dass du hier nicht mehr gebraucht wirst. Es wäre doch schade, wenn du als Landstreicherin über die Straßen ziehen müsstest. Nicht alle Männer sind solche Kavaliere wie ich.«
    »Ein echter Kavalier bedrängt kein Mädchen gegen dessen Willen!« Walthers Stimme klang scharf, und seine geballten Fäuste zeigten an, dass er bereit war, Diebold nicht nur mit Worten in seine Schranken zu verweisen.
    Der junge Renitz wusste, dass er in einem Faustkampf den Kürzeren ziehen würde, und überlegte kurz, ob er ein paar Knechte rufen und Walther von ihnen verprügeln lassen sollte. Dies würde jedoch seinem Vater zu Ohren kommen, und der hatte immer noch einen Narren an dem Burschen gefressen.
    Daher winkte er mit einer verächtlichen Handbewegung ab. »Ich habe es nicht nötig, ein Mädchen gegen seinen Willen zu nehmen. Außerdem: So hübsch ist Gisela auch wieder nicht!« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.
    Gisela atmete erleichtert auf und fasste nach Walthers Hand. »Danke!«
    Auf Walthers Gesicht erschien der Anflug eines Lächelns. »Du weißt, dass du immer auf mich zählen kannst.«
    Keiner der beiden achtete auf Diebold, der an der Terrassentür stehen blieb und noch einmal zu ihnen hinüberschaute. »Das werdet ihr mir noch bezahlen! Alle beide!«, murmelte er, bevor er weiterging.

Fünfter Teil
    Eine Entscheidung fürs Leben
    1.
    W alther achtete sorgfältig auf den Pfad zu seinen Füßen, um nicht auf einen dürren Zweig zu treten. Jedes Geräusch hätte den Hirsch warnen und seine Jagd vorzeitig beenden können. Dabei hatte er Frau Frähmke versprochen, ihr das Wildbret noch an diesem Tag zu liefern.
    Hier im Wald, fern aller Menschen und eins mit der mächtigen Natur fühlte er sich wohl. Für ihn bestand der Wald nicht nur aus den uralten Tannen und Eichen und dem Wild, sondern auch aus den Farnen und Moosen, die den Boden bedeckten, den Flechten an den Westseiten der Bäume, den Pilzen und all den anderen Pflanzen und Tieren um ihn herum.
    Du darfst dein Ziel nicht aus den Augen verlieren, mahnte er sich und näherte sich vorsichtig der Lichtung, in der das Rudel gewöhnlich um diese Zeit graste. Mit dem angefeuchteten Finger prüfte er die Windrichtung und nickte zufrieden, denn der Wind stand ihm genau entgegen.
    Mit leisen Schritten suchte er sich den besten Platz für einen Schuss und blieb schließlich in der Deckung eines Busches stehen. Die Tiere waren tatsächlich da und ästen. Am anderen Ende der Lichtung stand der König des Rudels, ein mächtiger Sechzehnender, davor fast ein Dutzend Hirschkühe und die Kälber des letzten Jahres. Auf eines davon, einen jungen Bullen, hatte Walther es abgesehen. Er hob seine Büchse, legte an und zielte.
    Kurz darauf knallte der Schuss. Während das Rudel blitzschnell im Wald verschwand, brach das getroffene Tier auf der Stelle zusammen. Walther trat zu dem Kadaver und stellte fest, dass er einen ausgezeichneten Blattschuss abgegeben hatte. Zufrieden legte er die Flinte beiseite, um den Junghirsch aufzubrechen.
    Nachdem er die Eingeweide vergraben hatte, hob er das Tier auf die Schulter, nahm seine Flinte und marschierte in Richtung des Forsthauses. Ein oder zwei Tage würde das Rudel die Lichtung wohl meiden, dann aber merken, dass keine Gefahr mehr drohte, und zurückkehren. Im Grunde hatten die Hirsche hier in den Renitzer Forsten das Paradies. Der alte Graf war nicht mehr in der Lage zu jagen, Diebold weilte noch immer in der Ferne, und außer ihm kümmerte sich niemand um den Wald.
    Mittlerweile hatte Walther sich damit abgefunden, auf diesen Posten abgeschoben worden zu sein. Das lag nicht nur an der Natur und der Einsamkeit des Waldes, in der er seine Gedanken auf Reisen gehen lassen konnte, sondern auch an dem großzügigen Gehalt, das Graf Medard ihm zugebilligt hatte. Dadurch hatte er sich in den letzten vier Jahren ein hübsches Sümmchen zusammensparen können. Noch weitere zwei Jahre, schlimmstenfalls auch drei, dann würde er in der Lage sein, seinen Dienst aufzusagen und den Weg in die Neue Welt anzutreten.
    Auch wenn ihn an manchen Tagen das Gefühl überkam, dies wäre nicht nötig, weil er auch hier

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