Das Gottesgrab
Sprühwasser auf, das im Licht von Mohammeds Scheinwerfern wie Diamanten funkelte. Noch bevor er die Außenbezirke von Alexandria erreicht hatte, zwickte sein Rücken, weil er sich beim Fahren über das Lenkrad beugte, um gleichzeitig seine Uhr und den Tachometer im Auge zu behalten. Er wagte es nicht, mit dem LKW und seiner Ladung schneller als siebzig Kilometer in der Stunde zu fahren, aber er hatte auch Angst, zu spät zu kommen. Nicolas hatte verlangt, dass er bis zum Abend des nächsten Tages in Siwa sein sollte.
Es war Jahre her, dass er einen so großen und schweren Tieflader gefahren hatte, doch er kam schnell wieder damit zurecht, besonders als er endlich auf der breiten und geraden Autobahn nach Marsa Matruh war. Er zog das Bild von Layla aus seiner Brieftasche und legte es auf das Armaturenbrett, damit er wusste, warum er sich auf diese Fahrt eingelassen hatte. Im Seitenspiegel sah er einen Polizeiwagen näher kommen. Als er auf gleicher Höhe war, fuhr er langsamer. Mohammed schaute stur nach vorn, und schließlich jagten die Polizisten davon. Sein Herz schlug wieder ruhiger.
Er berührte das Foto von Layla. Wenn alles gutging, würde ihre Chemotherapie morgen beginnen. Ihr Zustand war so ernst, dass keine Zeit verschwendet werden durfte. Dr. Rafai und sein Ärzteteam würden ihren Organismus absichtlich und systematisch vergiften. In ungefähr zwei Wochen, so Allah es wollte, würden sie Knochenmark aus Basheers Hüfte entnehmen, die Reste von Blut und Knochen entfernen und es Layla injizieren. Wenn diese Behandlung anschlug, standen Layla Monate mit Tests, weiteren Behandlungen und Rehabilitation bevor. Mindestens ein Jahr würde es dauern, bis man mit Sicherheit sagen konnte, ob sie geheilt war. Bis dahin hatte er keine andere Wahl, als das zu tun, was Nicolas Dragoumis verlangte. Denn Nicolas hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass alle Zuwendungen ganz schnell wieder eingestellt werden konnten.
Mohammed hatte tatsächlich einen Bagger auf der Baustelle gehabt. Den Tieflader zu finden hatte sich allerdings als Problem erwiesen. Von seinen üblichen Zulieferern hatte er keinen erreichen können. Doch er hatte nicht aufgegeben und Freunde angerufen sowie Freunde von Freunden, bis er schließlich einen aufgetrieben hatte. Dann musste er eine Menge Papierkram ausfüllen, den Tieflader abholen und zur Baustelle bringen und den Bagger ganz allein aufladen und sichern. Nicolas hatte ihm eingeschärft, dass niemand erfahren durfte, was er vorhatte.
Währenddessen hatte sich Mohammed die ganze Zeit gefragt, was Nicolas wohl mit einem Bagger in Siwa wollte. Keine der Antworten hatte ihn in irgendeiner Weise beruhigt. Die aufgehende Sonne warf den langen Schatten des LKWs wie eine dunkle Vorahnung auf die schwarze Autobahn. Und Mohammed fuhr direkt hinein.
II
Knox starrte durch die Windschutzscheibe des Jeeps und sah nichts als Sand. Am schönsten war die Wüste am frühen Morgen und am späten Nachmittag, wenn die niedrig stehende Sonne harte Schatten auf die goldenen Dünen warf und es nicht so heiß war. Während des restlichen Tages, wenn die Sonne hoch stand, war die Landschaft hingegen eintönig und öde. Und in jenen Zonen, die von Salzkristallen längst verschwundener Seen bedeckt waren, blendete es so sehr, dass man die Augen permanent zusammenkneifen musste, um sie zu schützen.
Der Weg, auf dem er fuhr, wurde seit der Antike benutzt. Es war die alte Karawanenroute vom Nil nach Siwa. Am Wegesrand lagen Kamelknochen, leere Benzinkanister, geplatzte Reifen und weggeworfene Wasserflaschen. Vielleicht lagen die Sachen seit einer Woche hier, vielleicht seit Ewigkeiten. Die Libysche Wüste veränderte sich nicht wie andere Orte. Sie erstarrte wie eine Zeitkapsel. Seine Lippen waren vor Trockenheit aufgesprungen, seine Zunge klebte am Gaumen. Er trank einen Schluck aus der Wasserflasche, die zwischen seinen Beinen klemmte, und spülte seinen Mund aus, bevor er das Wasser herunterschluckte. Innerhalb von Sekunden war sein Gaumen schon wieder so trocken wie zuvor. Er warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie genügend Vorräte hatten.
Auf einer seiner Reisen mit Richard, bei der sie die Route der Forscher des Zerzuraclubs nachvollzogen hatten, die die Libysche Wüste und Gilf Kabir kartographisch erfasst hatten, war Knox auf die Überreste eines Mannes in Beduinenkleidung gestoßen. Er hatte in einem Dünental vor der Asche seines Feuers gesessen und war anscheinend
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