Das Gottesgrab
den dunklen Haarschopf. Da schaute sie wieder auf. Er wich zurück. Ihr direkt zwischen die Augen oder in die Stirn zu schießen, brachte er nicht fertig. Warum konnte sie nicht einfach den Kopf senken? Konnte sie nicht ein bisschen Rücksicht nehmen? Er bedrohte sie wieder mit dem Gewehr. Wimmernd fiel sie auf den Rücken. Ihr Gesicht war grau und vor Angst verzerrt. Er bedeutete ihr, sich mit dem Gesicht nach unten hinzulegen. Sie tat es nicht. Sie lag nur da und wand sich verstockt, als wüsste sie genau, welche Qualen sie ihn auf diese Weise durchmachen ließ. Er biss die Zähne zusammen. Na gut, sagte er sich, das war der Preis der Macht. Das war der Preis für die makedonische Befreiung. Er stellte sich die Ehren und Auszeichnungen vor, die auf ihn warteten. Dann presste er den Kolben an seine Schulter und visierte sie wieder an.
II
Knox war dem Konvoi in sicherer Entfernung von der Straße gefolgt. Dann hatte er den Jeep hinter einer felsigen Böschung versteckt und beobachtet, wie die Griechen heftig miteinander diskutierten. Obwohl er zu weit weg war, um etwas zu verstehen, konnte er an der Auseinandersetzung deutlich erkennen, dass ihre Pläne fehlgeschlagen waren und dass sie Angst hatten.
Nicolas verschwand zielstrebig im Container. Eine Minute später zog er Gaille heraus und verlangte dann eine Kalaschnikow von einem seiner Männer. Knox konnte nur hilflos zuschauen. Er hatte kein Handy, um die Polizei oder die Armee zu verständigen. Und er war unbewaffnet und allein. Wenn er jetzt versuchte, sie zu retten, wäre das reiner Selbstmord. Seine einzige vernünftige Möglichkeit bestand darin, Hilfe zu holen. Schließlich hatte er alles versucht. Jetzt war jemand anderes an der Reihe. Niemand würde es ihm verübeln.
Er schlich zurück zum Jeep und startete ihn. Der Verkehr auf der nahen Autobahn war laut genug, um das Motorengeräusch zu übertönen. Aber er fuhr nicht los. Im tiefsten Inneren wusste er, dass es Gailles Todesurteil wäre, wenn er jetzt abhaute, um Hilfe zu holen. Und das durfte er nicht zulassen. Niemals. Es ging nicht nur darum, dass er ihrem Vater etwas schuldig war, obwohl dieser Aspekt nicht unwichtig war. Es ging um Gaille selbst. Es ging darum, wie sehr er sich mittlerweile zu ihr hingezogen fühlte.
Seine Haut kribbelte vor Angst, als ihm klar wurde, was er tun würde. Sei kein Idiot, sagte er sich. Es hat keinen Zweck. Er holte tief Luft und schloss die Augen, fast so, als würde er beten. Dann trat er das Gaspedal durch und ging wie ein Ritter auf seinem treuen Ross zum Angriff über.
III
Hinter Nicolas heulte ein Motor auf. Er wirbelte herum und sah einen alten Jeep direkt auf sich zurasen. Knox! Wie betäubt stand Nicolas da. Leonidas nahm ihm die Kalaschnikow aus der Hand und feuerte eine Salve auf den Jeep ab. Die Haube sprang auf, Dampf und Flammen schossen aus dem Motor. Nicolas konnte hören, wie Knox versuchte, den Motor hochzujagen, aber der Jeep rollte langsam aus und kam vor ihnen zum Stehen. Die Haube krachte wieder runter. Knox öffnete die Tür und lief davon, wurde aber von einer Salve im Bein getroffen. Er schrie auf, stürzte zu Boden, und einen Moment später standen Bastiaan und Eneas über ihm.
Nicolas entriss Leonidas das Gewehr. Das Mädchen zu töten war eine Sache, Knox zu töten eine andere. Er ging zu ihm, hob das Gewehr an die Schulter und zielte hinab. «Warte!», schrie Knox verzweifelt, drehte sich auf den Rücken und hob seine Arme, als könnte ihn das schützen. «Hör zu! Ich kann euch rausbringen. Ich kann euch aus Ägypten bringen.»
«Natürlich», erwiderte Nicolas spöttisch, den Finger am Abzug. «Dir wachsen Flügel, und dann fliegst du uns raus, na klar.»
Aber Leonidas drückte den Lauf des Gewehres nach unten. «Wie?», fragte er.
«Ich stelle hier die Fragen», blaffte Nicolas ihn an. Er drehte sich wieder zu Knox und hob das Gewehr. Mit einem Mal kam er sich lächerlich vor. «Wie?», fragte er.
«Ich kenne Leute», sagte Knox.
«Ach, du kennst Leute?», schnaubte Nicolas. «Wir alle kennen Leute.»
«Ich kenne Hassan Al Assyuti», sagte Knox.
Nicolas runzelte die Stirn. « Den Hassan Al Assyuti?»
«Ich habe ihm mal das Leben gerettet», sagte Knox nickend. «Ein Tauchunfall. Ich habe ihm Mund-zu-Mund-Beatmung gegeben. Er sagte, wenn er mir jemals einen Gefallen tun könnte …»
Nicolas musterte ihn. «Du lügst.»
«Bring mich zu ihm. Er ist in Suez. Frag ihn selbst. Er wird es bestätigen.»
«Ich soll dich zu
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