Das Gottesgrab
seine Jacke. Doch als Knox den Schulterholster sah, kam auch er in Bewegung. Er stürzte sich auf Nessim und stieß ihn rücklings zu Boden. Die Waffe entglitt dem Ägypter, schlitterte ins Treppenhaus und fiel sechs Stockwerke tief, ehe sie krachend auf den Boden schlug. Während Knox zur Treppe lief, rappelte Nessim sich auf. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte Knox die Treppe hinunter, knallte in den Kurven gegen die Wände, Nessim kaum eine Armlänge hinter sich. Schließlich erreichte Knox das Erdgeschoss, dessen Fliesen vom Aufwischen noch feucht waren. Er bremste ab, um auf den Beinen zu bleiben, doch Nessim rutschte aus und krachte gegen die Tür des Fahrstuhls, verdrehte sich seinen Knöchel und fluchte. Knox stürzte aus der Tür und sprintete zu seinem Jeep. Er riskierte einen Blick zurück. Auch Nessim war inzwischen draußen, doch er humpelte stark. Er hatte seine Waffe wieder gefunden, hielt sie aber an die Seite gepresst. Auf offener Straße konnte er nicht einfach rumballern. Er rief seinen Kollegen, der den Freelander startete und ihn auflas.
Knox lief zu seinem Jeep und hechtete hinein. Der Motor sprang sofort an. Er jagte durch eine enge Gasse auf eine Hauptstraße zu, in die er so scharf einscherte, dass die Autos hinter ihm ausweichen und bremsen mussten, einander in die Quere kamen und aufgebracht hupten. Im Rückspiegel sah er, dass der Freelander Mühe hatte, sich durch diesen plötzlichen Verkehrsstau zu drängeln. Knox nutzte die Gelegenheit, bog links ab, dann wieder links und tauchte im Gewirr der Straßen unter. Ständig schaute er in den Rückspiegel, aber von seinen Verfolgern war nichts zu sehen. Er entspannte sich ein wenig. Doch als er nach einer Weile in den Spiegel sah, waren sie plötzlich wieder da. Wie, verflucht nochmal, hatten sie das hingekriegt? Er gab Gas, aber der Freelander war schneller und wendiger und holte unerbittlich auf.
Auf seiner Straßenseite schlich vor ihm ein Personenzug auf einen Schienenübergang zu. Der Autoverkehr kam zum Stehen. Doch Knox beschleunigte, wich auf die andere Straßenseite aus und hupte wild, damit der Gegenverkehr an die Seite fuhr. Der Zug kam näher. Obwohl fast kein Platz mehr war, trat er das Gaspedal durch und jagte über die Schienen. Die Lokomotive streifte seine hintere Stoßstange und schob ihn gegen einen hölzernen Torpfosten, aber dann war er durch. Als Knox wieder auf seine Spur scherte und nichts als die freie Straße vor sich hatte, achtete er nicht mehr auf die erhobenen Fäuste und das wütende Hupen. Er schaute in den Rückspiegel. Der Zug war auf der Straße stehen geblieben. Damit hatte Knox mindestens eine Minute Vorsprung gewonnen, vielleicht zwei. Er bog um eine Ecke und hielt an. Niemals hätte Nessim seine Fährte einfach so aufnehmen können. Nicht im Straßengewirr von Alexandria. Wenn Augustins Wohnung überwacht worden war, dann hatten sie vielleicht auch seinen Jeep gefunden. Er bückte sich. Tatsächlich. Am Unterboden war mit Klebeband ein Sender befestigt. Knox zog ihn ab, lief zurück zur Straße, hielt ein Taxi an und bezahlte den Fahrer dafür, den Sender ins Sheraton in Montazah Bay zu bringen. Dann joggte er zurück zu seinem Jeep und fuhr in die andere Richtung davon.
Nessim war kein Idiot. Er würde schnell merken, dass er getäuscht worden war. Knox musste das Beste aus seinem kleinen Vorsprung machen. Aber Alexandria war nicht London, wo es zahllose Fluchtmöglichkeiten gab. Er hatte im Grunde nur die Wahl, südlich nach Kairo, östlich nach Port Said oder westlich nach El Alamein zu fahren. Nessim würde Unterstützung haben, so viel war sicher. Hassan operierte nicht auf Sparflamme; an allen Routen würden seine Leute nach einem alten grünen Jeep Ausschau halten. Besser er würde sich verstecken, bis sie ihre Überwachung aufgegeben hatten. Aber wo? Er war eine Gefahr und wagte es nicht, weiteren Freunden zur Last zu fallen. Bestimmt würde Nessim jedes Hotel in Alexandria überprüfen. Und auf der Straße konnte er auch nicht bleiben. Jeder könnte ihn entdecken. Er musste untertauchen.
Die Idee, die ihm kam, war so ungeheuerlich und gleichzeitig so einleuchtend, dass er prustend loslachen musste und beinahe auf den Lieferwagen vor ihm aufgefahren wäre.
II
Als Nicolas Dragoumis mit seinem Leibwächter Bastiaan an der Ausgrabungsstätte eintraf, erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Er hatte sofort die Plinthe anheben lassen wollen, um zu sehen, was sich darunter befand,
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