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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Seemann?«
    »Na klar, Kindchen.«
    »Hast du zufällig ’n Bild dabei?«
    »Natürlich, meine Süße.« Mit
schlichtmütigem Grinsen zückte der Matrose die Brieftasche
aus der weiten Hose, entnahm ihr ein kleines Foto und reichte es der
Kellnerin. »Sie heißt Mindy Sue.«
    »Sie sieht richtig knackig aus, Seemann. Bläst sie dir
einen?«
    »Was bitte?«
    Um 18 Uhr 15 erscholl über der Taverne Zum Nordlicht das
unverwechselbare Brummen der Pratt-&-Whitney-Motoren eines
PBY-Flugboots und brachte auf den Tischen die Frydenlund-Flaschen zum
Klirren. Ein köstliches Gefühl der Vorfreude
durchströmte Oliver. Bestimmt kehrte Wade McClusky zurück,
steuerte mit Erdbeere 8 den nächsten Fjord an. Bestimmt war die Valparaíso gesichtet worden.
    Nach ›Pistol Packin’ Mama‹ spielte Glenn Miller
›Chattanooga Choo-Choo‹, anschließend strahlte der
Scheinwerfer wieder die Bühne an, und die Andrew Sisters sangen
›The Boogie-Woogie Bugle Boy of Company B.‹ Als
nächster trat Bing Crosby auf und gurrte ›Pack Up Your
Troubles in Your Old Kit Bag‹, und danach eilte Hope an die
Seite seines Kumpels. Die beiden trugen, indem sie hin- und
herschunkelten, ihre berühmt gewordene Fassung von ›Mairzy
Doats‹ vor.
    »Da gerade davon die Rede ist«, meinte Flume,
während Hope und Crosby auf der Bühne Frances Langford
begrüßten, »wußten Sie, daß unsere
U-Boote auf Feindfahrt immer Kübel voller Pferdedärme
mitführten?«
    Oliver blieb unsicher, ob er richtig gehört hatte.
»Kübel voller…?«
    »Pferdedärme. Manchmal auch Schafsgedärm. Wenn die
Nazis Wasserbomben schmissen, ließ der U-Boot-Kommandant die
Därme an die Oberfläche steigen, und der Feind dachte, er
hätte ’n Treffer erzielt.«
    »Was für ein bemerkenswerter Krieg das doch damals noch
war«, seufzte Pembroke in höchster Bewunderung.
    »I’m in the mood for love…«, sang
Frances Langford.
    »Dann bist du hier richtig, Schätzchen«,
lärmte ein dummgeiler Matrose.
    »… simply because you’re near
me…«
    Die Eingangstür schwang auf, und ein kleiner Sturmwind fegte
durch die Taverne Zum Nordlicht. Blau vor Kälte, stapfte der
knorrige Darsteller Wade McCluskys herein und strebte auf Olivers
Tisch zu. Eiskristalle glitzerten auf seiner Fliegerjacke. Auf den
Schultern hatte er Schnee, als litte er an überaus schwerem
Schuppenbefall.
    »Jesses, bin ich froh, daß Sie da sind!«
schrie Oliver, schlug dem Geschwaderkommandanten auf den Rücken.
»Glück gehabt?«
    Frances Langford lächelte, teilte Kußhände aus und
stimmte das Lied an, das zu ihrem Markenzeichen geworden war, ihrer
Erkennungsmelodie: »Embracable You.«
    »Lassen Sie mir erst mal ’n Momentchen Verschnaufpause,
um mich zu setzen.« McClusky zog ein Päckchen
Wrigley’s Spearmint aus der Fliegerjacke und schob sich einen
Streifen Kaugummi wie ein Arzt in den Mund, der mit einem Holtspatel
die Zunge niederdrückt. »He, Schatzi«, rief er der
rothaarigen Serviererin zu, die noch immer mit dem stämmigen
Matrosen Cola trank. »Schaff uns mal ’n Frydenlund
ran!«
    »Embrace me, my sweet embraceable you«, sang
Frances Langford über ihren Umarmenswerten. »Embrace me,
my irreplaceable you…«
    »Zu diesem Lied gibt es eine ganz zauberhafte Anekdote«,
sagte Pembroke. »Miss Langford besuchte ein Feldlazarett in der
afrikanischen Wüste. Vorher in der Woche hatte eine große
Panzerschlacht stattgefunden, und ein paar Jungs waren ziemlich
schwer verletzt worden.«
    »Da hat Hope vorgeschlagen, daß sie ihnen was
vorsingt«, ergänzte Flume seinen Kompagnon, »und
natürlich sang sie ›Embraceable You‹. Und als ihr
Blick aufs nächststehende Bett fiel… Also, Sie werden im
Leben nicht glauben, was sie da gesehen hat.«
    »Haben Sie die Valparaíso entdeckt?«
erkundigte sich Oliver. »Ist der Golem gesichtet
worden?«
    »Ich habe rein gar nichts gesichtet«, antwortete
McClusky, indem er von der Kellnerin das Bier entgegennahm.
    »Sie sah einen Soldaten ohne Arme«, sagte Pembroke.
»Beide waren sie ihm zu Stümpfen weggebrannt. Ist das nicht
eine rührende Geschichte?«
     
    Am Spätnachmittag blies der Wind Rostkrumen von den
Dünen herauf, schleuderte sie übers Steuerbord-Schanzkleid
und verstreute sie wie Schrotkörner übers Wetterdeck.
Anthony setzte die Sonnenbrille auf und spähte durch den
Sandsturm, beobachtete die Kolonne, die sich dem Schiff näherte.
Sein gefüllter Magen schnurrte zufrieden. Wie Sargträger,
die ein kleines, aber auf emotionale Weise

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