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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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berühmte,
ausdrucksvolle Nase, betonte ihre beliebten Konturen.
    »Ich bin sicher, ihr habt hier ’ne tolle Zeit auf der
Jan-Mayen-Insel«, leitete der Komiker den Auftritt ein, winkte
dem Publikum zu: einhundertzweiunddreißig Marinefliegern
(Piloten und Bordfunkern) – die meisten trugen schokoladenbraune
Bomberjacken mit schwarzem Pelzkragen – sowie zweihundertundzehn
Seeleuten mit weißen Matrosenmützen und blauen
Halstüchern. »Ihr wißt ja alle, was die
Jan-Mayen-Insel ist.« Er schnippte gegen das Mikrofon und
verursachte ein verstärktes Tock. »Shangri-La mit
Eiswürfeln.«
    Johlen des Beifalls. Fröhliches Röhren.
    Oliver saß allein da; er lachte nicht. Statt dessen trank er
das zweite Frydenlund-Bier des Abends aus, rülpste und
ließ sich tiefer in den Sessel sinken. Inzwischen hegte er die
feste Überzeugung, daß eine furchtbare Tragödie
Cassandra und die Valparaíso ereilt haben mußte,
ein Taifun, ein Meereswirbel, ein Tsunami; oder vielleicht verbarg
sich dahinter menschliches Einwirken, denn gewiß gab es noch
andere Institutionen als die Philosophische Liga für moderne
Aufklärung e. V., die Gottes Kadaver aus der Welt geschafft
haben wollten, solche Organisationen, die nicht zögerten, ein
oder zwei Supertanker zu versenken.
    Albert Flume und sein Kompagnon näherten sich Olivers Tisch.
»Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?«
    »Sicherlich.«
    »Noch ’n Bier?« fragte Sidney Pembroke, indem er
auf die beiden leeren Flaschen deutete.
    »Klar, warum nicht?«
    »Vergangene Nacht habe ich mich zu den Jungs in die Quartiere
geschlichen«, sagte Bob Hope. Die Hände in den Taschen,
beugte er sich ans Mikrofon. »Sie wissen ja, was
Soldatenunterkünfte sind. Zweitausend Feldbetten mit
Trennwänden aus Pin-ups.«
    Hopes famosester alter Heuler, aber die Piloten, Bordfunker und
Matrosen fielen fast vom Stuhl.
    »Wir haben gute Arbeit geleistet, Albert«, meinte
Pembroke.
    »Eindeutig eine unserer besseren Inszenierungen«,
stimmte Flume zu. »He, Schwarm meiner Träume«, rief er
einer hübschen, honigblonden Serviererin zu, die mit betontem
Hüftschwung ein Tablett mit Schinken-Sandwiches durchs Lokal
trug. »Bring unserem Freund Oliver noch ’n
Frydenlund.«
    Tatsächlich war der Stolz der zwei Veranstalter völlig
gerechtfertigt. Binnen nur drei Tagen war es ihnen gelungen, den
Russischen Bären in ein USO-Clublokal der vierziger Jahre
umzuwandeln. Abgesehen vom Vorhandenseins unzeitgemäßen
Biers wirkte die Taverne Zum Nordlicht durchweg authentisch, sogar
bis hin zu den Tütenlautsprechern an den Tragbalken, dem
NUR-FÜR-ANGEHÖRIGE- DER-US-STREITKRÄFTE-Schild am
Eingang sowie den FEIND-HÖRT-MIT- und NIMITZ-KENNT-KEINE-
LIMITS-Plakaten an den Wänden. Anfangs hatte Wladimir Panschin
sich gegen den Umbau gesträubt, weil er annahm, daß seine
Stammkunden sauer wären, doch schließlich hatte er sich
ausrechnen können, daß für jeden Forscher Ibsen
Citys, der ausblieb, mindestens zwei Mitglieder der
Militärdrama-Gruppe aufkreuzten.
    Die Umgestaltung des Lokals hatte Oliver beinahe 85.000 Dollar
gekostet, von denen ein Großteil für die aus Trondheim
eingeflogenen Tischler und Elektriker aufzuwenden gewesen waren, aber
dies Sümmchen mußte als läppisch im Vergleich zu dem
Betrag gelten, um den Pembroke & Flume sein Bankkonto beim
Zusammensuchen der erforderlichen Talente erleichtert hatten. Das New
Yorker Büro der Agentur Premiere hatte zwei Dutzend
Naivendarstellerinnen und Revuetänzerinnen geschickt, die
allesamt keinerlei Scheu kannten, Cocktailschürzen umzubinden
und mit Schizophrenen mittleren Alters zu flirten, die Zweiter
Weltkrieg spielten. Durch die Agentur William Morris waren Sonny
Orbach und die Harmonikanten vermittelt worden, sechzehn Musiker, die
zwar ausnahmslos über siebzig Lenze zählten, jedoch ohne
weiteres, hatten sie sich erst einmal reichlich mit Frydenlund
abgefüllt, als vollwertige Reinkarnation von Glenn Millers
Luftwaffen-Orchesters herhalten konnten. Die größte
Leistung der Veranstalter bestand allerdings darin, die erstaunlich
begabten und nur selten abkömmlichen Gebrüder Kowitzky
aufgespürt und als Mitwirkende gewonnen zu haben: Myron, Arnold
und Jake Kowitzky, die sich Erstes Klassisches Nostalgie-Trio nannten
– drei Imitatoren, die meistens in den überwiegend von
jüdischer Klientel besuchten Sommer-Urlauberhotels der
Catskill-Berge auftraten und deren Repertoire über
Verkörperungen Bob Hopes, Al Jolsons und sonstiger

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