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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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naheliegender
Künstler hinausging und sich auf das eher seltene
Tätigkeitsfeld der Damendarstellung erstreckte. Myron gab eine
erstklassige Kate Smith ab, Arnold eine glaubhafte Marlene Dietrich,
Jake eine passable Ethel Merman und eine geradezu unheimlich
lebensechte Frances Langford. Wenn die Gebrüder Kowitzky in
dreistimmigem Falsett gepreßten Gesang hervorträllerten,
hätte man schwören können, die Andrew Sisters
›Don’t Sit Under the Apple Tree‹ (with Anyone Else but
Me) singen zu hören.
    Oliver guckte auf die Armbanduhr. 17 Uhr. Verflucht noch mal.
Oberstleutnant Wade McCluskys Darsteller hätte sich schon vor
über einer Stunde zurückmelden müssen.
    »Wißt ihr, ich habe endlich eingesehen«, sagte
Hope, »daß General Tojo von uns beiden der
größere Komiker ist. Ich finde ihn einfach zum
Schießen.«
    Nach eigenen Angaben war Wade McClusky ein Flugbeobachter der
Spitzenklasse. Schon im Leutnantsrang war er als jemand im
Gespräch gewesen, der aus 5 km Höhe ein getarntes
Flugzeugwerk erkennen konnte. Oliver war jedoch nicht
gegenwärtig, ob diese Eigenschaft den echten McClusky
ausgezeichnet hatte, der heutige McClusky-Darsteller über diese
Begabung verfügte oder ob der McClusky-Darsteller sie dem echten
McClusky andichtete. Auf alle Fälle hatte der beherzte
Kommandeur des Marineflieger-Geschwaders 6 vor zehn Stunden
persönlich die Leitung der Aufklärungsflüge
übernommen und war an Bord des PBY-Flugboots mit der
Tarnbezeichnung Erdbeere 8 zum Erkundungsflug aufgestiegen. Sein
Engagement hatte bei Oliver hoffnungsfrohe Erwartungen geweckt. Warum
also war McClusky noch nicht wieder da? Hatte man die Valparaíso etwa doch mit Bofors-Flak ausgerüstet?
Hatte van Horne Erdbeere 8 vom Himmel geholt?
    Hope winkte die bildschöne, kurvenreiche Dorothy Lamour
– Myron Kowitzky im Abendkleid sowie mit Perücke, Schminke
und Latexbusen – zu sich auf die Bühne. Lamour schwebte
regelrecht durchs Lokal, begleitet von zahlreichen Pfiffen der
Anerkennung, lächelte nach allen Seiten und verteilte
Kußhände.
    »Jungs, ich möchte euch zeigen, wofür ihr
eigentlich kämpft.« Noch ein beliebter, alter Heuler Hopes.
»Gestern waren Crosby und ich…«
    »Achtung, Achtung, alle Mann herhören!« Eine
atemlose Stimme dröhnte aus den Lautsprechern, rauschte und
zischte wie Coca-Cola auf Eis. »Hier spricht Admiral Spruance an
Bord des Flugzeugträgers Enterprise. Ich habe eine
prachtvolle Neuigkeit für euch, Männer. Vor knapp vier
Stunden sind vom Flugzeugträger Hornet sechzehn
Luftflotte-siebzehn- B-fünfundzwanzig-Bomber unter dem Kommando
von Oberstleutnant James H. Doolittle gestartet und haben in Tokio
das Industrie- und Hafenviertel mit über fünfzig Spreng-
und Brandbomben belegt!«
    Geheul der Begeisterung und stürmischer Applaus hallten durch
die Taverne Zum Nordlicht.
    »Der Umfang des angerichteten Schadens ist unbekannt«,
fügte der Spruance-Darsteller hinzu, »aber Präsident
Roosevelt stuft Oberstleutnant Doolittles Angriff als ›schweren
Schlag gegen die feindliche Moral‹ ein.«
    Die Militärdrama-Teilnehmer trampelten mit den
Füßen. Zwar verwirrt, aber des Spaßes halber gerne
zum Mitmachen bereit, stellten die Serviererinnen die
Sandwichtabletts ab und klatschten Beifall.
    »Das war’s, Männer.«
    Während der Tumult verebbte, schwenkte der Scheinwerferstrahl
in die Nordostecke des Lokals, wo im gleichen Moment Sonny Orbach und
die Harmonikanten in fescher Abendkleidung mit einer beschwingten
Version von Glenn Millers ›Pistol Packin’ Mama‹
einsetzten. Sofort sprangen die Gäste der Taverne Zum Nordlicht
auf und tanzten Jitterbug – Soldaten mit Soldaten, Matrosen mit
Kellnerinnen, und ein unerhört vom Glück begünstigter
Heckschütze durfte sogar mit Dorothy Lamour tanzen.
    Am Nachbartisch legte sich eine kesse, rothaarige Serviererin, um
sich ihr Geld zu verdienen, besonders ins Zeug, teilte sich mit einem
vierschrötigen Seemann Anfang vierzig eine Cola.
    »…darf ja nicht fragen, wohin du ausläufst«,
sagte die Kellnerin gerade, als die Unterhaltung Olivers
Aufmerksamkeit anzog.
    »Ganz genau«, bestätigte der Matrose. »Die
Japsen haben ihre Spione überall.«
    »Aber ich darf dich fragen, woher du kommst.«
    »Aus Georgia, Mädel. Einem kleinen Ort namens
Fosendorf.«
    »Wirklich?«
    »Naja, eigentlich bin ich aus Newark.«
    »Mensch, wen aus Georgia hab ich noch nie
kennengelernt.« Die Serviererin klimperte mit den Wimpern.
»Hast du ’n Mädchen,

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