Das Grab der Königin
können.
Hinter ihr lauerten die Wölfe. Sie waren sehr wachsam. Morgana hörte ihr Hecheln ebenso wie das leise Knurren. Sie kannte sich sehr gut aus, was die Tiere anging, denn sie wußte, daß die Wölfe Gefahr witterten. Hier hatten siezwar keinedirekte Gefahr gewittert, dennoch war ihre Reaktion ungewöhnlich.
Das Wort feige paßte nicht, vielleicht eher der Begriff zurückhaltend. Ihre Aggressivität war verschwunden. Darüber zeigte sich die Wölfin verwundert. Keine Bestie stand mit ihr auf der Höhe. Sie alle hatten sich zurückgezogen.
Morgana konnte so dicht vor dem Ziel nicht kneifen. Sie befand sich im Zentrum des großen Tempel-Grabes der Königin, wo der Wind der Jahrtausende seine Spuren hinterlassen und den Sand der Ewigkeit angeweht hatte.
Morgana hatte sich endlich dazu durchgerungen, eine Antwort zu geben. Mit lauter Stimme rief sie die einzelnen Worte sehr deutlich. »Wenn du tatsächlich die alte Königin bist, die Stammutter der Äthiopier, die Herrscherin über Saba, dann zeige dich mir, denn ich habe es geschafft, den Weg zu deiner Grabstätte zu finden. Was viele erfolglos versucht haben, ist mir gelungen. Ich stehe vordem Zentrum. Ich habe dich endlich gefunden, und ich habe etwas bei mir, das dir auch bekannt sein dürfte. Es ist der Dunkle Gral. Ich möchte nicht mehr lange warten. Diese Nacht ist die entscheidende.«
Morgana war froh, die Sätze gesprochen zu haben. Über ihr lag der Himmel wie ein gewaltiges Gemälde. Wenn sie den Kopf, hob, sah sie die Sterne und auch die Scheibe des Mondes, der eine margarinegelbe Farbe angenommen hatte.
Es schob sich kein Schatten vor den Kreis. Das beunruhigte Morgana weiter nicht. Sie hoffte und sie wußte sogar, daß Fenris, ihr großer Herr und Meister, irgendwo im Hintergrund lauerte. Auch er wollte endlich die Herrschaft übernehmen können, auch wenn er Morgana vorgeschickt hatte.
Ihr war, als wollte ihr der Wind eine Botschaft übermitteln. Sie hörte ihn nicht, aber sie sah die dünnen Fahnen, die tüchergleich zwischen den einzelnen Säulen schwebten und auch in die Nähe des Grabes geweht wurden.
Feiner Sand, vermischt mit dem Staub der Vergänglichkeit. Er berührte ihr Gesicht, das Haar bekam eine graue Puderschicht. Morgana störte dies nicht, sie wollte an das Grab der Königin heran und nichts anderes. Diese ließ sich Zeit, aber sie bewies, daß sie Morgana verstanden hatte, denn auf dem Grund des Vierecks geriet der Sand in Bewegung. Er wurde nicht getrieben, sondern blieb auf der abgeteilten Fläche, an die untersten Stufen grenzend.
Er begann zu kreisen. Plötzlich bildeten sich kleine Strudel. Erst zwei, dann drei und vier.
Die Strudel liefen zunächst gegeneinander, was sich jedoch schnell änderte, denn eine einzige Kraft bemächtigte sich ihrer und faßte sie zu einem einzigen zusammen.
Auf dem Viereck bewegte sich ein großer Kreis immer in eine Richtung. Entgegen dem Uhrzeigersinn. Als wären unsichtbare Kräfte dabei, auch Gewalt über den Sand zu bekommen. Je schneller er sich drehte, um so stärker zerrten die Kräfte an ihm, denn es gelang, den Sand in die Höhe zu schleudern, wo er einen Trichter bildete, der Ähnlichkeit mit einer gewaltigen, oben offenen Tüte bekam.
Das Mondlicht schien dagegen und hinein. Es leuchtete diesen Trichter aus. Sein Licht ließ den Staub fahl und bleich aussehen. Das Kreisen blieb auch weiterhin, und die Kraft sorgte dafür, daß auch die Reste an den Rändern erfaßt wurden.
Jedes noch so kleine Korn wehte dem Zentrum entgegen, wo der Trichter darauf wartete, es zu vereinen.
Morgana Layton wurde davon nicht berührt. Sie konnte auf das starren, was unter dem Sand zum Vorschein gekommen war.
Eine gewaltige Platte. Dunkel, geheimnisvoll leuchtend, denn das Mondlicht hinterließ das Schimmern auf dem grauen Gestein. Es besaß eine ungewöhnliche Glätte, als hätte man es zuvor bearbeitet. War das der Zugang zum eigentlichen Grab der Königin? Es gab keine andere Möglichkeit.
Morgana bewegte ihren Kopf und schleuderte das lange Haar zurück. Jetzt lag ein Lächeln auf ihren Lippen. Die Raubtieraugen blickten noch kälter als sonst, ihre Lippen bildeten einen Strich, so hart lagen sie aufeinander. Der Staub-und Sandtrichter schwebte mit seinem auslaufenden Ende bereits über der Platte. Wenige Sekunden später tanzte er plötzlich weg. Er floh hinein in die Finsternis und wurde von ihr kurzerhand verschluckt. Nur ein leises Rieseln war zu vernehmen, als die Masse der Körper
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