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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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wankelmütigen Fortuna, ihn unwillkürlich beneidete.
    Dave blieb eine weitere halbe Stunde bei Gordon Tait sitzen und unterhielt sich mit ihm über berufliche Fragen. Dann ging er weg. An der Aufzugstür aber tönte ihm Grace Tails Stimme ins Ohr. »Mr. Robbins.«
    »Ja, Mrs. Tait?«
    »Könnte ich Sie einen Augenblick sprechen? Bevor Sie weg­gehen?«
    »Gewiß.« Er sah sich um und erblickte die Tür zu einem War­teraum voller niedriger Sitzmöbel und matt leuchtender Steh­lampen. Sie traten ein. Er bot Mrs. Tait eine Zigarette an.
    Sie nahm einen Zug, drückte sie aus und begann zu weinen.
    »Verzeihung«, sagte sie schließlich, ohne ihn anzusehen. »Die Aufregung war zu groß. Ich hatte wirklich nicht die Absicht, mich an Ihrer Schulter.«
    »Geht in Ordnung.«
    »Ich habe niemanden, mit dem ich reden kann. Gordon hat keine Verwandten. Meine Verwandten leben in Kalifornien.« Sie hielt inne. »Er ist schwer krank, Mr. Robbins. Viel schwerer, als er glaubt. Aber Sie kennen ihn ja. Auch wenn Doktor Dish- man ihm die Wahrheit sagte – er würde es ganz einfach nicht glauben.«
    »Das tut mir aber leid«, sagte Dave wie ein kleiner Junge. »Gordon ist ein Prachtmensch. Ich habe ihn ungeheuer gern. Aber soviel ich weiß, haben Millionen Menschen Herzanfälle und fühlen sich hinterher ausgezeichnet. Das erste Mal ist eine Art Warnung. Wenn man sich in acht nimmt –«
    »Vielleicht ist es dafür schon zu spät. Doktor Dishman ist nicht besonders optimistisch.«
    »Ein Jammer!«
    Sie sah ihm direkt ins Gesicht. Dave hoffte, seine Miene sei ausreichend teilnahmsvoll. Was die Frau ihm erzählte, bereitete ihm aufrichtigen Kummer, aber noch stärker war ein Gefühl des Unbehagens.
    »Ich bin ratlos. Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Wenn Gordon etwas passiert – ach, ich weiß, es klingt schreck­lich, Mr. Robbins, jetzt über so etwas zu sprechen! Aber Gordon hat nicht einmal sein Leben versichert. Er – er hat es nie für möglich gehalten, er hat nie geglaubt, es könnte ihm etwas pas­sieren.«
    Dave schluckte mühsam. »Natürlich ist er durch die Firma versichert. Ich bin überzeugt, daß Mr. Tait der Kollektivversi­cherung angeschlossen ist. Das macht ungefähr fünfunddreißigtausend im Jahr.«
    »Bitte, nicht!« Sie berührte seine Hand. Der Silberschmuck fühlte sich eiskalt an. »Sprechen wir nicht mehr darüber. Es ist schrecklich.«
    »Er wird sicher wieder gesund werden«, sagte Dave mecha­nisch. »Ja, freilich.« Sie stand auf und trocknete schnell ihre Tränen mit einem zerknüllten Batisttaschentuch. »Meine Nerven sind überreizt. Ich wollte Ihnen nicht zur Last fallen.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Dave Robbins. Unbeholfen streckte er den Arm aus und streichelte ihre Hand. »Bestimmt wird alles wieder gut werden, Mrs. Tait.«
    Auf der glatten Wange der Frau war eine Träne festgefroren. Sie schimmerte silbern im gedämpften Schein einer Warteraum­lampe.
    »Wie alle großen Ideen«, sagte Joe Spiegel, »ist auch diese Idee einfach.«
    Man befand sich im Konferenzzimmer. Dave lehnte sich in dem Plüschsessel zurück, der im allgemeinen für einen Kunden reserviert war, und sah zu, wie Joe Spiegel, Chef der künstleri­schen Abteilung, sein Sprüchlein hersagte. Er stand am äußer­sten Ende des vier Meter langen, polierten Konferenztisches und stützte sich auf einen hölzernen Kasten, der die montierten Proben des neuen Werbefeldzugs für ›Burke-Baby-Foods‹ ent­hielt.
    Spiegel erinnerte eher an einen ländlichen Ladenbesitzer als an einen Werbefachmann. Er war hager und praktisch fleischlos. Seine randlose Brille rutschte ihm unaufhörlich an die Spitze der scharfkantigen Nase. Er hatte die Jacke ausgezogen und die Hemdsärmel aufgerollt. Seine roten Hosenträger hätten jedem Politiker aus dem Süden zur Ehre gereicht. Die Worte fielen trocken wie Zwieback-Krumen von seinen Lippen, waren aber meistens sehr vernünftig. Die Burke-Kampagne war, wie Gordon Tait es scherzhaft formulierte, sein Lieblingskind, und er verteidigte seine Besitzerrechte wie eine Löwin.
    An dem Tag, nachdem Dave Robbins den neuen Auftrag übernommen hatte, bat er Spiegel, ihn gründlich über die Reklamekampagne zu informieren, die Kermit Burke so überaus am Herzen lag. Dave hatte natürlich in der Agentur die ver­schiedenen Entwürfe herumliegen sehen und die Memoranden gelesen, die von Schreibtisch zu Schreibtisch wanderten, aber er wollte die Geschichte aus dem Mund des Initiators

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