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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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weiter nichts. Wir haben aber einen ausgezeichneten Ersatz für ihn, einen Mann namens Smalley. Beeilen Sie sich, beeilen Sie sich!« fügte er hinzu und machte plötzlich ein finste­res Gesicht.
    Im Aufzug fragte Dave, das längliche, flache Paket unterm Arm: »Was für ein Mensch ist Kermit Burke?«
    »Nett, sehr nett. Ein Mann aus dem Volk, Dave, er wird Ihnen gefallen. Sein Unternehmen ist das größte im ganzen Land, aber er hat nie seine volkstümliche Note verloren. Natürlich nicht allzu volkstümlich.«
    Auf der Straße winkte Hagerty ein Taxi heran und fügte hin­zu: »Aber er weiß, was er will, das muß man ihm lassen. Mag er auch manchmal wie ein Hinterwäldler daherreden – er ist schlau. Wenn er einen kleinen Wink fallen läßt oder einen Vor­schlag macht, gehen Sie nicht leichtsinnig darüber hinweg, Da­ve. Das ist dann ein Befehl.«
    In der Halle des Burke-Hauses nahm Hagerty seinen Hom­burg ab und wischte den Schweiß vom Lederband. »Wenn er richtig freundlich wird, Dave, dann müssen Sie sich vorsehen. Dann wissen Sie, daß er sich anschickt, Sie mit der Nadel zu pieken. Sie müssen immerzu auf dem Sprung sein, sonst können Sie sich begraben lassen.« Er runzelte ärgerlich die Stirn.
    »Ein netter Mensch, sehr nett«, bemerkte Dave in säuerlichem Ton.
    »Das ist das Schlimme bei dieser lausigen Branche.« Hagerty machte ein finsteres Gesicht. »Es gibt einfach zu viele Kunden.«
    Sie gingen über einen sieben Meter langen Teppich zu der Doppeltür, die zu den Direktionsräumen der ›Burke-Baby-Products, Inc.‹ führte. Die Empfangsdame, hinter einem Tisch verschanzt, der den von Homer Hagerty noch übertraf, nickte dem Chef der Agentur freundlich zu und sah Dave mißtrauisch an. Hagerty sagte etwas zu ihr, und sie griff nach dem Telefon­hörer.
    Ein paar Minuten später kam eine junge Dame, offensichtlich ein entthrontes Hollywood-Starlet, aus einer Seitentür und nä­herte sich ihnen mit der einstudierten Lässigkeit einer Ziegfeld-Follies-Tänzerin, die die Treppe herabschreitet. Sie lächelte ein Tausend-Watt-Lächeln, schwang ihre Hüften und geleitete sie durch einen Korridor. Aus Hagertys Begrüßung glaubte Dave schließen zu dürfen, daß das Kermit Burkes Sekretärin war.
    An den Wänden des Korridors hingen alte und neue Rekla­medrucke, mit der gleichen Sorgfalt gerahmt wie Meisterwerke in einem Museum. Die Reihe begann mit einem grausigen Opus aus dem Jahre 1931: ›Wovon träumt ein Baby?‹
    Schließlich gelangten sie ins Allerheiligste.
    Durch die Tiefen des Teppichs watend, der den Boden des großen, viereckigen Büroraums bedeckte, ging Homer Hagerty mit ausgestrecktem Arm auf Kermit Burke zu. Dieser ergriff bereitwilligst die dargebotene Hand und schüttelte sie minuten­lang mit der Begeisterung eines Mannes, der einen alten Freund wiedersieht.
    »Hallo, Cubby!« sagte Hagerty. »Das ist aber nett, daß man sich wieder einmal trifft.«
    Burke erwiderte Hagertys Lächeln. »Ganz meinerseits, Hum­mer!«
    Einen Augenblick lang wußte Dave nicht, ob er recht gehört habe. Er war hinter seinem Chef stehengeblieben und trat von einem Fuß auf den anderen. Der federnde Teppich war ihm un­behaglich.
    Dann drehte sich Hagerty zu ihm um, fast so, als ob ihm das eben erst eingefallen wäre, und sagte: »Cubby, ich möchte Sie mit einem meiner tüchtigsten Leute bekannt machen – Dave Robbins. Er wird Gordon vertreten, bis der Arme wieder auf den Beinen ist. Dave – schütteln Sie Kermit Burke die Hand.«
    Vorsichtig streckte Dave die Hand aus. Aber als Burke ein­schlug, war sein Händedruck schlaff und entschieden kühl.
    »Sehr erfreut«, sagte Burke gleichgültig. »Bitte Platz zu neh­men, liebe Leute! Wir haben hier einen Haufen Stühle, da wol­len wir sie doch auch benutzen.«
    Hagerty lachte pflichtschuldig, und sie holten zwei Stühle an den Schreibtisch heran. Während sie sich setzten, blieb Burke stehen, und aus Daves Blickwinkel ragte er wie eine Art Rübe­zahl über den Schreibtisch empor. Kermit Burke war groß und ungeschlacht, er hatte riesige schlaffe Hände, die mit den Knö­cheln nach unten auf der Löschunterlage ruhten. Das zottige, weizenblonde Haar war über das scharfe Stirnbein nach vorn gekämmt und endete in einer napoleonischen Locke. Sein Ge­sicht machte keinen jugendlichen Eindruck, aber sein Blick hatte etwas Verschmitztes und Jungenhaftes, als er seine Besucher musterte. Und sein breiter Mund wirkte spöttisch.
    Schließlich setzte auch

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