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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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anderes.«
    »Sie meinen, er hat gekniffen?«
    »Vielleicht ist es bedeutend schlimmer. Vielleicht habe ich Willies Bekehrung zu ernst genommen. Vielleicht hat er uns hineingelegt.«
    »Inwiefern?«
    »Ich bildete mir ein, daß Willie wirklich die Absicht hat, mit uns Hand in Hand zu gehen. Als ich ihm von dem Plan erzählte, war er Feuer und Flamme. Vielleicht aber dachte er gar nicht daran, Annies Mörder zu fangen – vielleicht dachte er nur an die hundert Riesen.«
    »Warum hat er dann nicht auf Hagerty gewartet?«
    »Weil das nicht gegangen wäre, Sie Dummkopf! Er wußte, daß wir in der Kneipe saßen, daß Leutnant Berger auf meinen Anruf wartete. Hier hätte er mit dem Geld nicht entwischen können. Aber wenn er den Treffpunkt verlegt hat –«
    Dave mußte sich hinsetzen.
    »Ich weiß, ich weiß«, fuhr Theringer mit düsterer Miene fort. »Ich bin schuld, weil ich in bezug auf den reumütigen Willie so verdammt selbstgefällig war. Ich habe keine Sekunde lang an diese andere Möglichkeit gedacht. Aber Sie verstehen doch, wie verführerisch es aussah!«
    »Was machen wir?«
    »Fragen Sie mich nicht. Wahrscheinlich können wir Berger dazu bewegen, einen Fahndungsbefehl durchzugeben. Aber wenn man ihn dann findet, wird es vielleicht schon zu spät sein. Entweder entwischt er mit dem Geld, oder Ihr lieber Freund Hagerty wird ihn –«
    »Wir müssen sie finden!« sagte Dave. »Wenn nicht –« Ihm fiel etwas ein. »Einen Augenblick! Celia!«
    »Wer?«
    »Wenn Willie den Treffpunkt verlegt hat, muß er im Büro angerufen haben. Vielleicht hat Hagertys Sekretärin das Gespräch entgegengenommen. Sie wird wissen, wo sie sind.«
    »Ein Versuch kann nicht schaden.«
    Dave griff nach dem Telefon, das auf dem Nachttisch stand, und legte den Hörer schnell wieder hin. »Was zum Teufel mache ich denn da? Ich kenne ihre Privatnummer ja gar nicht.« Er zerrte das Telefonbuch von Manhattan auf den Schoß und betrachtete mit leerem Blick den Umschlag. »Celia Clancy? Celia Comstock? Celia Carrington?«
    »Was machen Sie denn?«
    »Ich kann mich nicht auf ihren Nachnamen besinnen.«
    »Ach, wie schön!«
    »Ich kenne ihren Nachnamen, zum Donnerwetter. Er will mir nur nicht einfallen.«
    »Sie sollten einen Gedächtniskursus besuchen.«
    »Das habe ich schon einmal gemacht.«
    »Wie schade, daß Sie alles vergessen haben!«
    »Zwecklos.« Er schob das Telefonbuch in die Lade des Nachttisches. »Seit fast zwei Jahren arbeite ich mit ihr zusammen, aber ich kann mich ganz einfach nicht an ihren Nachnamen erinnern.«
    »Dann können wir wohl einpacken«, bemerkte Theringer mit einem Seufzer.
    »Mir fällt nur noch eines ein – eine sehr geringe Chance – aber vielleicht die einzige. Wenn wir in Hagertys Büro gehen, werden wir vielleicht auf seinem Schreibtisch eine Mitteilung oder einen Vermerk finden. Vielleicht hat er sich die neue Adresse notiert, die Willie ihm nannte.«
    Theringer rieb sich das Kinn.
    »Keine schlechte Idee«, sagte er bewundernd. »Sie scheinen sich einzuarbeiten, Robbins.«
    Obwohl Dave das Kompliment schmeichelte, erwiderte er schroff: »Gehen wir!«
    Als sie vor dem Bürohaus aus dem Taxi sprangen, wanderte Daves Blick an der Stahl- und Glasfassade empor und suchte beleuchtete Fenster im dreizehnten Stock.
    »Es läßt sich nicht feststellen, ob jemand oben ist.«
    »Vielleicht die Putzfrauen?«
    »Nein, die sind um halb acht mit der Etage fertig. Wir werden den Nachtportier fragen.«
    Der Nachtportier, ein übelgelaunter, rothaariger Mann in einem schmierigen Overall, sagte: »Ja, gegen neun ist einer raufgegangen.«
    Dave und Theringer sahen einander an.
    »Hat er sich ins Buch eingetragen?« fragte Dave.
    »Jeder muß sich eintragen«, erwiderte der Mann und schob es ihnen hin.
    Dave warf einen Blick auf die letzte Eintragung. Sie lautete: Homer Hagerty – 13. Stock.
    »Die beiden sind da!« stieß Dave hervor.
    »Nein«, sagte der Rothaarige. »Es ist nur einer raufgegangen. Wollen Sie auch rauf?«
    »Und ob!« erwiderte Theringer grimmig.
    Dave kritzelte seinen Namen ins Buch und stürzte dann auf den Aufzug zu. Theringer folgte ihm dicht auf den Fersen. Dave drückte auf den Knopf und ging in dem engen Raum auf und ab, bis die Schiebetür sich im dreizehnten Stock öffnete.
    Sie verließen den Aufzug und betraten die große, altamerikanisch eingerichtete Halle, die vom Schein der grünen Lampe auf dem Empfangstisch in ein unheimliches Licht getaucht war. Die Glastür, die zu den Büroräumen

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