Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
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Mit gesteigertem Interesse verfolgte Herr Schweitzer nun das Geschehen. Wer war dieser Typ im weißen Muscle-Shirt? Würde dieser nun Mike Chavez die Lichter ausblasen, wie er es bereits bei de Witte und Clareux getan hatte? Oder doch eher umgekehrt? Oder noch ganz anders? Egal, sagte er sich, nun galt es, die Sinne zu sensibilisieren. Oder immer horche, immer gucke – wie man in Sachsenhausen zu sagen pflegt.
Leider war der Geräuschpegel bei den Sportlern ziemlich hoch, so dass nur einzelne Worte und sporadisch mal ein Satzfetzen zu Herrn Schweitzer drang. Er hoffte innig, das in seinem Rucksack befindliche Mikrophon sei so gut, wie vom Oberkommissar Schmidt-Schmitt gepriesen.
Die nächste Stunde ging nur zäh vorüber, alles war wie gehabt. Dora flirtete mit dem Muskelprotz, Getränke wurden im Minutentakt serviert und am Mainufer flanierten die Menschen. Herrn Schweitzer wurde es langweilig. Was erwarte ich denn, fragte er sich. Und dann stellte er sich die Frage, die sich die meisten Leute an ihrem Arbeitsplatz mindestens einmal pro Woche auch stellen: Was mache ich hier überhaupt? Von einer Sekunde auf die andere kam ihm sein Tun so nutzlos vor wie ein Kruzifix in der Moschee. (Kruzifix gleich Schnellkreuzigung – schon damals war Zeit Geld; außer Jesus mussten ja auch noch zwei andere Störenfriede auf Holz gespannt werden.)
Dem Lederjacken-Herrn am Nebentisch schien es ebenso zu ergehen. Er hatte mittlerweile sein viertes Glas Wasser vor sich stehen und guckte betont unauffällig in der Gegend herum. Was wiederum Herrn Schweitzers Verdacht nährte, der Typ könne eventuell doch von der Bullerei sein.
Es war kurz nach elf, als sich der Vereinsvorsitzende plötzlich erhob und in die Hände klatschte. Umgehend verstummten die Gespräche. Mit übertriebenem Pathos verwies er auf das bevorstehende Wettkampfwochenende und bat darum, bis dahin alles zu unterlassen, was der Kampfeskraft hinderlich sein könnte. Die letzte Runde für heute gehe aber trotzdem noch auf ihn. Ab morgen herrsche Alkoholverbot.
Herr Schweitzer atmete auf. Er dachte schon, der Tag würde überhaupt kein Ende mehr finden.
Eine Viertelstunde später herrschte allgemeine Aufbruchsstimmung. Die Sportler zahlten ihre Rechnungen und verließen das Lokal einzeln oder in kleinen Grüppchen.
Mike Chavez blickte noch mehrmals auf Dora und seinen aktuellen Nebenbuhler zurück, denn diese machten keinerlei Anstalten, den Abend ebenfalls zu beenden. Sie hatten zwar bezahlt, aber ihre Gläser waren noch halbvoll.
Insgeheim erwartete Herr Schweitzer einen wie auch immer gearteten Gefühlsausbruch seitens Mike Chavez, so aggressiv, wiedieser die Frischverliebten den ganzen Abend über gemustert hatte. Aber nichts geschah. Chavez wirkte eher so, als brüte er bereits über seinen nächsten Mord. So kam es Herrn Schweitzer zumindest vor. Vielleicht war es aber auch nur Wunschdenken, denn ein Mike Chavez als momentanen Doppel- und baldigen Dreifach-Mörder passte wunderbar in die einzige These, die halbwegs plausibel klang.
Nicht alles ist Friede, Freude, Eierkuchen, auch wenn es auf den ersten Blick so scheint. Denn als die Rutke und ihr neuer Lover sich endlich anschickten, das Anglo-Sports zu verlassen – in sicherem Abstand gefolgt von Herrn Schweitzer –, stand auch der komische Typ vom Nebentisch auf.
Und dann ging alles ganz schnell. Just in dem Moment, als Doras neuer Lover seinen protzigen, schwarzen und tiefergelegten 6er-BMW – ein Wagen, mit dem gewöhnlich Jungmänner südosteuropäischer Provenienz ihre nicht vorhandene Männlichkeit zu kompensieren versuchen – aufschloss, zückte der Kerl mit der Lederjacke ein Sprechfunkgerät und gab die Anweisung „Zugriff“.
Herr Schweitzer hatte es gehört und zuckte zusammen wie ein Fallschirmspringer in dem Augenblick, als ihm bewusst wird, dass der Mechanismus zum Öffnen gerade seine Macken hat. Macken, die der Fallschirm noch nie gehabt hatte und die wohl auch einmalig bleiben würden.
Die vier schwarzgekleideten Männer, die daraufhin aus einem nicht weit vom BMW geparkten Kleinbus strömten, veranstalteten einen derartigen Zirkus, dass man als neutraler Beobachter – wie Herr Schweitzer einer war – meinen konnte, hier werde gerade ein international gesuchter Topterrorist hopsgenommen. „Hände hoch“, „Keine Bewegung“, „Auf den Boden legen, aber dalli“ – man kennt das ja, das Übliche halt.
Wie stets in solchen Situationen fiel keinem der Protagonisten
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