Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
Krankenhaus des Heiligen Geistes war, jenes Spital hinter der alten Stadtbibliothek in Hibbdebach. Er war mit starken Medikamenten ruhiggestellt und sein Kopf zierte eine Beule so groß wie ein Tennisball, der zu einem Drittel aus dem Wasser ragte. Die Wunde war mit achtzehn Stichen genäht worden und seine Hirnströme wurden mit einem wunderlichen Apparat gemessen, dessen Drähte an kahlrasierten Stellen klebten. Herr Schweitzer stand unter ständiger ärztlicher Kontrolle.
Oberkommissar Schmidt-Schmitt hatte umgehend Maria von der Heide angerufen, nachdem er gleich zu Dienstbeginn von seinem Vorgesetzten die Nachricht erhalten hatte.
Sie erreichten das Krankenhaus, just als Herr Schweitzer auf einem Wägelchen in ein Einzelzimmer gerollt wurde.
Der behandelnde Doc erlaubte ihnen zwar, sich ans Bett zu setzen, machte ihnen aber auch unmissverständlich klar, dass es dauern könne, bis der Patient wieder ansprechbar war. „Der Patient steht unter Medikamenteneinfluss. Frühestens am Nachmittag kommt er wieder zu sich und dann können wir weitersehen.“ Der Doc verließ das Zimmer.
Maria flüsterte, derweil ihre Hände auf dem Unterarm ihres Liebsten ruhten: „Was ist passiert?“
Oberkommissar Schmidt-Schmitt: „Simon ist offensichtlich überfallen worden. Ganz profan. Der Täter ist geschnappt, ein Junkie. Beschaffungskriminalität. Hat nichts mit seinen Observationen zu tun. Saudoofer Zufall. Passiert in Frankfurt täglich und dutzendfach.“
„Und wer hat ihn gefunden? Oder ist Simon von sich aus ins Krankenhaus?“ Letzteres konnte sich Maria nur sehr schwer vorstellen. Ihr Freund würde zwar von sich aus in Ebbelwoi-Kneipen, aber niemals in Krankenhäuser oder auch nur zu Ärzten gehen. Quacksalber, Knochenbrecher und ähnliche Schimpfworte hatte er im Repertoire, wenn das Thema angeschnitten wurde. Nur zum Zahnarzt ging er jährlich.
„Passanten. Die Tat wurde beobachtet. Zwei junge Kerle haben sofort Erste Hilfe geleistet und den Notruf gewählt. Einer von denen hat sogar noch den Täter gestellt.“
„Dass es so was heute noch gibt“, wunderte sich Maria. „Die meisten sehen doch zu, dass sie so schnell wie möglich verschwinden. Nur keine Scherereien und so.“
„Ausländer. Es waren Ausländer. Ein Australier und ein Türke“, erklärte Schmidt-Schmitt.
Maria nickte stumm mit dem Kopf und schaute auf die Tanne vor dem Fenster.
Das menschliche Hirn – lateinisch
cerebrum
– ist ein sonderbares Organ und die Forschung steht noch immer vor vielen Rätseln. So spuken einem manchmal Dinge im Kopf herum, an die maneigentlich gar nicht erinnert werden will. Ein Uli Hoeneß mag zum Beispiel vielleicht gar nicht an all die nur unzureichend versteuerten Gelder in der Schweiz denken wollen – vergebens. Ein Herr Schweitzer hingegen würde, wie bereits geschildert, sich manchmal sehr gerne daran erinnern, wo
Beim Teutates!
er diesen verdammten Joint bloß hingelegt hat – ebenso vergebens. Kurzum, das Hirn macht, was es will.
Herr Schweitzer hatte von dem Überfall auf ihn so gut wie nichts mitbekommen. Ein kurzer heftiger Schmerz und das war’s. Danach kam nur noch dunkelste Nacht.
Doch das Hirn arbeitet im Unterbewusstsein unentwegt weiter, steuern können wir es nicht. So erinnert man sich nur selten an seine Träume. Dass sie aber dennoch gespeichert werden, erkennt man daran, dass einem, wenn auch nur sporadisch, Träume manchmal Stunden nach dem Aufwachen doch wieder einfallen. Meist jedoch bleiben sie verschollen. Und dann vermischen sich noch real Erlebtes und Fantasie. Das führt stets zu den kuriosesten Geschichten und nicht selten fragt man sich hernach, wie man bloß auf so einen Schwachsinn gekommen ist.
Bei Herrn Schweitzer waren obendrein noch opioide Schmerzmittel im Spiel. Das heißt, seine Gedanken schlugen die wildesten Kapriolen, während Maria und Mischa Schmidt-Schmitt sehnsüchtig darauf warteten, er möge das Bewusstsein wiedererlangen. Der heftige Schlag auf seinen Hinterkopf hatte zu zusätzlichen Irritationen im logischen Denkvermögen geführt.
Momentan duellierte sich Herr Schweitzer. Nicht mit irgendwem, sondern mit Charles Bronson. Es ging auf Leben und Tod. Schweißgebadet konzentrierte er sich auf seinen Widersacher, dessen rechte Hand gefährlich nahe am Holster baumelte. Er oder ich. Das ganze Universum war darauf reduziert. Er oder ich. Nur einer konnte überleben. Für Herrn Schweitzer war es das erste Duell überhaupt und von Bronson wusste er, dass
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