Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
angelangt, der sich nun an seiner statt mit Charles Bronson maß. Allerdings nicht mit Pistolen. Obelix warf einen Hinkelstein nach dem anderen auf Charly, der alle Mühe hatte, den Geschossen auszuweichen. Dabei bewegte Herr Schweitzer seinen Kopf hin und her.
„Was hat er denn?“, fragte der Oberkommissar.
„Wenn ich das nur wüsste. Vielleicht denkt Simon, ich hätte ihn gefragt, ob wir uns die nächsten Wochen mal vegetarisch ernähren wollen.“
Dann herrschte wieder Ruhe. Herr Schweitzer sackte erneut weg.
Es war schon elf, als dem Oberkommissar einfiel, noch nichts gefrühstückt zu haben. „Du, Maria, ich geh mal runter in die Kantine. Soll ich dir was mitbringen?“
„Nein danke, hab gerade keinen Hunger.“
Herrn Schweitzers wenige Worte gingen ihm durch den Kopf, als er auf den Aufzug wartete. Michael Schmidt-Schmitt kannte seinen Kumpel nun lange genug, um sich zu fragen, ob sich mit dessen kryptischen Bemerkungen wohl irgendwas anfangen ließ. Schließlich war Herr Schweitzer berühmt für seine unkonventionellenGedankengänge. Er selbst hatte sich gestern in seiner Gartenlaube am Mühlberg vergebens abgemüht, die Puzzleteile zusammenzubringen. Schade, dass sein Kumpel nicht ansprechbar war. Ein gemeinsames Brainstorming – neudeutsch für: beim Babbeln auch mal denken – hätte sie vielleicht vorangebracht.
Unten angekommen bestellte er sich eine Puddingbrezel und Kaffee. Und dachte an Herrn Schweitzers Frage.
Wieder im Aufzug, glaubte Schmidt-Schmitt plötzlich, die Lösung auf dem Silbertablett serviert zu bekommen. Doch als er sie ausformulieren wollte, war sie so schnell wieder weg, wie sie gekommen war. Ehrlich gesagt war es nur ein zarter Lufthauch gewesen, der seine Gesichtszüge für den Bruchteil einer Sekunde aufgehellt hatte. Man kennt das vom Kreuzworträtsellösen. Das Wort liegt einem auf der Zunge, ist schemenhaft in der Gicht der Brandung zu erahnen, bleibt aber, so sehr man seine grauen Zellen auch anstrengt, standhaft im Verborgenen.
Als Schmidt-Schmitt wieder den Flur in der dritten Etage betrat, schien selbst dieser zarte Lufthauch auf ewig verschwunden zu sein. Vor der Tür zum Patientenzimmer mit der Nummer 337 erblickte er Bertha, die Wirtin vom Weinfaß, und Moni und Adam von der Bembelmanufaktur Maurer. Moni hielt einen Blumenstrauß in der Hand, umwickelt mit farbenfrohem Geschenkpapier.
„Was macht ihr denn hier?“, fragte er verdutzt, denn damit hatte der Oberkommissar nun wirklich nicht gerechnet.
Moni: „Simon besuchen.“
Adam: „Wir haben gehört, er sei von einer Rotte Hooligans überfallen worden.“
Bertha: „Genau. Die Welt wird immer schlimmer. Bei mir hamse letztens en Gartezwersch geklaut. Den mit’em Stinkefinger.“
Obschon er es eigentlich hätte besser wissen müssen, war Schmidt-Schmitt zum wiederholten Mal darüber erstaunt, wie schnell Neuigkeiten in Sachsenhausen die Runde machten. Weltrekorde im 100-Meter-Sprint waren ein Dreck dagegen.
„Dann kommt mit rein. Aber ich sag’s euch gleich: Simon ist nicht ansprechbar.“
Bertha: „Koma?“
„Nee. Betäubungsmittel.“
Moni: „Betäubungsmittel? Das ist aber nicht gut. Simon wird gar nicht mehr rauswollen, wenn er die hier für umme kriegt.“
Fasziniert beobachtete der Oberkommissar, wie Moni die Blumen vom Papier befreite. Warum, hätte er nicht erklären können. Doch da war was.
Eine halbe Stunde blieben sie an Herrn Schweitzers Bett und sahen ihm beim Atmen zu, dann verabschiedeten sie sich wieder und versprachen, morgen wiederzukommen.
Wie in Trance betrachtete Schmidt-Schmitt das zurückgelassene Geschenkpapier.
13 Uhr 32. Die Sonne warf ihre Strahlen auf das Fußende des Bettes.
Maria war eingenickt, als der Oberkommissar einen Zettel hervorkramte, eine Botschaft für Maria niederschrieb und auf leisen Sohlen das Zimmer verließ.
Kaum war er draußen, sprach Herr Schweitzer erneut. Doch keiner hörte ihm zu. „Zwei Morde, zwei Täter. Und …“
Das war’s. Nicht mehr, nicht weniger. Danach drängte sich eine üppige Wurst- und Schinkenplatte ins Unterbewusstsein. Sein Magen knurrte nämlich. Für Herrn Schweitzer gab es nichts Schlimmeres, als Hunger zu leiden. Als sich auch noch ein deftiger Schweinebraten aufdrängte, tauchte er wieder an die Oberfläche. Kurz öffnete er die Augen, erblickte Maria, ein seltsames weißes Zimmer, einen Blumenstrauß, aber nichts Essbares.
Herr Schweitzer schlief wieder ein.
Vor dem Portal rief Schmidt-Schmitt seinen
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