Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
Kollegen Hajo an: „Du, kannst du mich abholen? Wir müssen noch mal in die Wohnungen von deWitte und Clareux. Bring bitte die Schlüssel mit.“
Nachmittag, Viertel vor vier. Maria hatte Mischas Nachricht, er müsse arbeiten, komme aber später wieder, gelesen und Herr Schweitzer wurde immer unruhiger. Die Medikamente verloren langsam an Wirkung, obendrein verlangte sein Körper ein wenig Bewegung. Seine Beine hatten die Bettdecke bereits weggestrampelt.
Und dann war er wach. Von jetzt auf gleich. Er sah an die Decke, vermisste aber den Kronleuchter von Marias Schlafzimmer.
Maria: „Simon!“
Herr Schweitzer: „Maria?“
Maria, die schlimmsten Gedanken hatten schon mit den Hufen gescharrt: „Gott sei Dank, du bist aufgewacht.“
Herr Schweitzer sah sich im Zimmer um. „Krankenhaus?“
„Ja.“
„Warum?“
„Damit du wieder gesund wirst.“
Herr Schweitzer verspürte ein leichtes Kribbeln auf der Kopfhaut und tastete danach. „Was ist das? Ein Verband?“
„Ja, du bist überfallen worden. Erinnerst du dich nicht?“ Maria gab ihm vorsichtig einen dicken Kuss auf die Wange.
„Nein. Überfallen? Ich? Wo und wann?“
„Am Mainufer. Nicht weit von der Gerbermühle. Jemand hatte es auf den Rucksack abgesehen. Aber es ist alles gut. Man hat den Täter geschnappt. Ich bin ja so froh, dass es dir wieder besser geht.“
„Wie viele Tage ist das her?“, fragte Herr Schweitzer, der anhand des großen Lochs in seinem Bauch zurückzurechnen versuchte, wann er die letzte Mahlzeit zu sich genommen hatte.
„Gestern Nacht, Schatz. Was denkst du denn?“
„Hm. Hab Hunger. In welchem Krankenhaus bin ich?“
„Heilig Geist.“
Die Frage hatte nur einen Zweck gehabt: zu eruieren, welche Restaurants sich in der Nähe befanden. „Heilig Geist – das ist gut.“ Gut insofern, als dass es bis Sachsenhausen nur eine Straßenbahnhaltestelle war. Quasi ein Katzensprung über den Main.
Als hätte es der Oberarzt geahnt, betrat dieser nun Zimmer 337. „Oh, Sie sind ja schon wach. Fein. Wie fühlen Sie sich?“
Ohne die Antwort abzuwarten, entnahm er seiner Kitteltasche eine kleine Stabtaschenlampe, setzte sich auf den Bettrand und untersuchte Herrn Schweitzers Augen. „Gut. Sehr, sehr gut. Sieht aus, als hätten Sie alles prima überstanden.“
Dann entfernte der Arzt die Klebestreifen und damit die Drähte von seinem Kopf.
Herr Schweitzer: „Autsch.“
Onkel Doktor: „So, das EEG brauchen wir jetzt nicht mehr. Ich lasse es gleich abholen.“
Herr Schweitzer wusste zwar nicht, was EEG bedeutete, da er aber in seinem bisherigen Leben recht gut ohne EEG zurechtgekommen war, widersprach er auch nicht. „Wann kann ich hier raus?“
Der Arzt lachte. „So, wie die Verletzung an Ihrem Kopf aussieht, geht man normalerweise von mindestens einer Woche aus. Aber Sie scheinen mir ja ein sehr robuster Mensch zu sein …“
Hierbei lächelte Herr Schweitzer seine Liebste an. „Siehst du“, flüsterte er.
„Vielleicht noch zwei Tage zur Beobachtung“, schloss der Oberarzt seine Ausführungen.
Mitnichten wollte sich Herr Schweitzer an diese Vorgabe halten. Spätestens morgen würde er sich entlassen.
„Sie haben bestimmt Hunger“, diagnostizierte der Arzt überaus treffend.
„Hab ich. Das Rumpsteak bitte mit reichlich Zwiebeln und bei den Bratkartoffeln aufpassen, dass sie nicht anbrennen.“
Maria lächelte. Ihr Simon würde vollends genesen.
Arzt: „Mal gucken, was unsere Kantine dazu meint.“ Er verließ den Raum.
Die Kantine mochte vielleicht ihr Bestes gegeben haben, doch Herr Schweitzer war schon immer sehr eigen, was seine Ernährung betraf. Der Leberkäse sah aus wie vom Discounter – labberigund schlammfarben – und wies keinerlei Ähnlichkeiten mit einem Rumpsteak auf. Und statt Bratkartoffeln gab’s Kartoffelbrei. Nicht gerade sein Ding.
Zu Maria: „Ich würde vorschlagen, wir gehen nachher zu dem Italiener an der Alten Brücke. Ich war zwar noch nicht dort, aber es hocken immer viele Leute davor. So schlecht kann er also gar nicht sein.“
„Aber der Arzt …“
„… kommt nur seiner Sorgfaltspflicht nach.“ Herr Schweitzer winkte ab. „Das müssen die tun. Außerdem wollen die nur die Kohle von der Krankenkasse. Ich hingegen werde krank, wenn ich hierbleibe. Ist doch wie im Knast, fehlen nur noch die Gitter vor den Fenstern. Außerdem dürfen die keinen gegen seinen Willen hierbehalten. Das ist Gesetz!“
Zum Zeichen, dass er auf dem Weg der Besserung war, wuchtete Herr
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