Das grobmaschige Netz - Roman
sich nicht um? Oder stirbt ganz einfach?«
Münster dachte nach.
»Hamlet? Angst?«
»Nein. Du hast sie gesehen.«
»Ist sie religiös?«
Van Veeteren lachte auf.
»Wie sollte der Gott aussehen, der zulässt, dass dein Ehemann dich misshandelt und verletzt, dass deine Kinder miteinander Unzucht treiben, dass dein Sohn deine Tochter umbringt. . .«
Münster zögerte.
»Ich weiß nicht ... vielleicht nimmt sie die Strafe auf sich ... dadurch, dass sie lebt, meine ich.«
Van Veeteren drehte den Kopf und sah Münster an.
»Ausgezeichnet«, sagte er überrascht. »Ausgezeichnet,
Münster! Ich werde versuchen, dich in Zukunft nicht mehr zu unterschätzen.«
»Danke«, sagte Münster. »Wir sind gleich da. Da ist nur noch eins.«
»Ja?«
»Wenn du vielleicht eine Karte schreiben könntest ... wegen der Briefmarke. Mein Kleiner hat jetzt angefangen zu sammeln.«
»Aber sicher«, sagte Van Veeteren.
Münster hielt und nahm Van Veeterens Gepäck aus dem Kofferraum.
»Dann bis Januar«, sagte Van Veeteren.
»Ende Januar«, erwiderte Münster. »Nach Neujahr habe ich zwei Wochen frei.«
»Stimmt. Und wohin geht’s?«
»Auf die Malediven«, sagte Münster und lachte verlegen.
»Sehr gut, Münster«, sagte Van Veeteren und gab ihm die Hand. »Halt dich in Form, ja? Ich werde kein lustiger Gegner sein, wenn ich wieder hier bin.«
»Davon gehe ich aus«, sagte Münster.
45
Die Frau fasste ihn am Arm.
Was ist denn jetzt schon wieder los?, fragte sich Ingrun. Er hatte sich gerade hingesetzt und eine Zigarette angesteckt. Warum konnten die ihn denn nie in Ruhe lassen?
»Was willst du?«, fragte er und versuchte, ihre Hand abzuschütteln. Ihre Nägel bohrten sich in seine Haut.
»Lukas 15:11«, fauchte sie.
»Was?«
»Lukas 15:11! Ich wollte in der Bibel lesen, aber irgendwer hat darin herumgekritzelt.«
Er entdeckte, dass sie in der anderen Hand eine Bibel hielt. Sie drohte mit dem Buch, in das sie einen knotigen Zeigefinger geschoben hatte.
»Zeig mal!«
Sie ließ seinen Arm los. Schlug die Bibel auf und reichte sie ihm. Quer über die Seite war in großen deutlichen Buchstaben geschrieben:
Carl Ferger
»Gott wird das nie verzeihen!«, rief sie wütend und rieb sich die Hände.
Ingrun zögerte kurz. Dann riss er die Seite aus dem Buch und warf sie in den Papierkorb.
»Lies etwas anderes!«, sagte er und klappte die Bibel zu.
Die schwedische Originalausgabe erschien 1993 unter
dem Titel »Det grovmaskiga nätet« bei Albert Bonniers,
Stockholm.
1. Auflage der Neuausgabe Juni 2011
Deutsche Erstveröffentlichung 1999
Copyright © der Originalausgabe 1993 by Häkan Nesser
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1999 by btb Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Satz: IBV Satz- und Datentechnik, Berlin
SL Herstellung: BB
elSBN 978-3-641-09041-8
www.btb-verlag.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher