Das große Buch vom Räuber Grapsch
stehen, stellte die
sechs Einkaufstaschen ab, fasste die kleine Frau behutsam um die Taille, hob sie über seinen Kopf und setzte sie sich auf die Schultern - samt Eimer, Rucksack und Schrubber. „Schön ist's hier oben", rief sie und hängte den Eimer an sein rechtes Ohr. „Nur ziemlich zugig."
Jetzt kamen sie schnell vorwärts. Grapsch machte Riesenschritte. Sie kamen immer tiefer in den Wald. Sie schreckten Hasen und Wildschweine auf. Zweige streiften Ollis Wuschelkopf. Sie trommelte mit ihren Füßchen auf seine Brust und schwenkte den Schrubber.
„Sie sind ja heute gekämmt, Grapsch!", rief sie glücklich. „Na also."
„Den Kamm", grunzte er, „hab ich heute Nacht geraubt. Weil ich doch keinen hatte."
Kaum in der Höhle angekommen, wurde Olli ungeheuer geschäftig. Dem armen Räuber Grapsch verging Hören und Sehen. Er musste sich tief herabbeugen und bekam Läusepulver in Haar und Bart gestäubt. Sogar die Brusthaare und die Augenbrauen sahen aus wie überzuckert.
„Das überlebt keine", sagte Olli zufrieden.
Dann leerte sie Rucksack und Taschen aus und verschwand fast zwischen all den Tüten, Tuben, Flaschen, Tüchern, Schachteln und Dosen.
„So", hörte er sie sagen, „jetzt wird geputzt." Er stand eine Weile herum, dann trottete er zur Höhle hinaus. „Halt", rief sie ihm nach, „wo wollen Sie denn hin?"
„Ein bisschen rauben gehen", antwortete er.
„Aber wie soll ich denn den Hausputz allein schaffen?", sagte sie. „Packen Sie mal mit an."
Und schon drückte sie ihm Handfeger und Kehrichtschaufel in die Pranken und ließ ihn all die abgenagten Knochen und den Fledermausmist zusammenfegen. Danach musste er die Spinnweben von den Felswänden kehren und das Heu hinausschaffen, Tisch und Suppenkessel abschrubben, ein Wandbrett befestigen, einen Berg Asche wegtragen, schließlich zwölf Eimer Wasser aus dem Bach holen und in die Höhle kippen, wo Olli mit dem Schrubber herumfuhr.
„Sie sind ja ganz geschickt", lobte sie ihn.
Er räusperte sich stolz. Seit sein Großvater gestorben war - und das war schon lange, lange her -, hatte ihn niemand mehr gelobt. „ Schauen Sie her!", rief sie und schwenkte ein riesiges rotes Herrenhemd. „Es war gar nicht leicht, eine so große Nummer zu bekommen. Gefällt es Ihnen? Nein - anziehen dürfen Sie's noch nicht. Erst müssen Sie sauber sein."
Da beschloss er, sich zu säubern. Er steckte den geraubten Kamm ein und tappte aus der Höhle.
„Zähneputzen nicht vergessen!", rief ihm Olli nach.
Er stapfte zum Bach, der durch das Brombeerdickicht floss, und ging an seinem Ufer entlang bis zu einem kleinen Wasserfall. Dort legte er Pistole und Gürtel ab, zog Hose und Stiefel aus und duschte sich. Mit einer Hand voll feinem Bachsand rieb er sich Gesicht und Körper ab. Er wusch sich auch die Haare und den Bart mit Sand. Er putzte sich sogar die Zähne mit Sand. Dann stieg er aus dem Wasser, legte sich in die Sonne - mal auf den Bauch, mal auf den Rücken bis er trocken war und bis der gelbe Schmetterling, der sich auf seinem Nabel niedergelassen hatte, wieder davongeflattert war. Als er sich Kopfhaar und Brusthaar und Brauen und Bart kämmte, wirbelten alle toten Läuse, die das Wasser noch nicht herausgespült hatte, mit dem Wind davon.
Jetzt war Grapschs Haut nicht mehr dunkelbraun, sondern rosarot. Er erkannte sich selber erst wieder, als er Hose und Stiefel anhatte und die Pistole am Gürtel fühlte. Zufrieden kehrte er zur Höhle zurück. Aber auch die erkannte er kaum wieder: Sie war blitzblank und roch nach Seife. Die Fledermäuse waren verschwunden. Unter der Tropfstelle stand der Eimer, schon halb mit sauberem Wasser gefüllt. Auf dem Tisch prangte ein kariertes Tischtuch und darauf eine Vase mit einem Glockenblumenstrauß. Unter dem Tisch lag ein Fleckenteppich, so bunt wie Ollis Rock. Die rosa geblümte Steppdecke hing draußen auf einer Leine zum Trocknen. Auf dem Wandbrett entdeckte Grapsch ein großes Seifenstück in einer Seifenschale, daneben einen Becher mit einer Zahnbürste und einer dicken Zahnpastatube. Bei der Feuer stelle baumelten an Schlingen Kochlöffel, Schneebesen, Quirl und Topflappen. Wo das Heu gelegen hatte, lag jetzt eine aufgeblasene Luftmatratze. Und mitten auf der Felsenwand hing das Bild eines schnurrbärtigen Herrn in Uniform. Olli rührte im Suppenkessel, als Grapsch über einen eisernen Schuhabkratzer stolperte und längelang in die Höhle hineinfiel.
„Na, was sagen Sie jetzt?", fragte sie und zeigte
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