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Das große Buch vom Räuber Grapsch

Das große Buch vom Räuber Grapsch

Titel: Das große Buch vom Räuber Grapsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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mehr nötig. Ganz Grapschheim schnurrte sozusagen zusammen. Nur Olli wurde dicker - trotz ihrer Traurigkeit. Anfangs merkte sie's gar nicht. Ihre Gedanken waren ja bei ihren Grapschen. Stundenlang konnte sie an dem großen Tisch sitzen, elf leere Stühle um sich, und sich ausdenken, was ihren lieben neun Töchtern alles zustoßen könnte: Der Blitz konnte sie treffen, Heuschreckenschwärme konnten sie auffressen, böse Onkel konnten über sie herfallen. Sie konnten sich vergiften, konnten erfrieren oder erschwitzen, ersticken oder erstinken, vertrocknen oder platzen. Wenn sie sich ihre Kleinen in solchen entsetzlichen Gefahren vorstellte, musste sie wieder so heftig weinen, dass die Tränenbäche zwischen Tür und Schwelle aus dem Haus gluckerten.

    Um diese Gedanken loszuwerden, stürzte sie sich in neue Arbeit. Sie sammelte Kräuter für Kräutertees und trocknete sie - mehr, als alle ihre Grapsche je trinken konnten. Berge von Kräutern. Aber nicht einmal kam Besuch, mit dem sie zusammen hätte Tee trinken können! Warum ließ sich Max nicht sehen ? Ach, sie hätte sogar die Polizei und die Feuerwehr gern mit Kesseln voll Tee bewirtet, wenn sie nur gekommen wären!
    Da kam sie schließlich auf die Idee, selbst jemanden zu besuchen. Nach Juckenau traute sie sich nicht, dort war sie zu bekannt als Grapschs Frau. Und nach Juck am See zu gehen hatte keinen Sinn, denn Oma Lisbeth war ja nicht dort. Aber in Juckendorf lebte Tante Hedwig. Vielleicht hatte die ihr inzwischen verziehen, dass sie zu Räuber Grapsch in den Wald gezogen war? Sie stopfte ihren Rucksack voll Pfefferminztee und wanderte drei Stunden durch den Wald - bis nach Juckendorf. Zaghaft klopfte sie an Tante Hedwigs Häuschen. Aber eine fremde Frau öffnete ihr: Tante Hedwig habe geheiratet, habe das Häuschen an sie vermietet und sei nach Juckenau verzogen. Sie schloss die Tür. Olli stand wie vom Donner gerührt. Tante Hedwig - verheiratet? Wer war wohl ihr Mann? Müde wanderte sie wieder die drei Stunden zurück.
    Niemand begegnete ihr, niemand rief ihr freudig „Hallo, Olli!" entgegen, als das Haus, der sauber gejätete Garten in Sicht kam. Nichts hatte sich verändert, seit sie fortgegangen war. Nur die Hühner und Meerschweinchen waren hungrig geworden, und ein Unkraut hatte gewagt, sich unter dem Rhabarber breit zu machen. Sie riss es heraus und schleuderte es wütend in den Sumpf, zusammen mit dem Tee aus dem Rucksack. Und dann fütterte sie die Meerschweinchen und Hühner und erzählte ihnen, was für ein Pech sie heute gehabt hatte.
    Der Winter kam. Sie holte die Hühner und Meerschweinchen ins Haus und überstand die kalte, dunkle Zeit zusammen mit ihnen nahe der Feuerstelle. Nachts schlief sie im Geburtskämmerchen. Und dort drin bekam sie dann im nächsten Frühling - nachdem sie noch ein bisschen dicker geworden war und schon fast das Reden verlernt hatte - ein zehntes Kind. Ganz allein. Ohne Maxens Hilfe. Es war weder zu groß noch zu klein für ein neugeborenes Baby, also ganz normal. Aber ein Junge! Sie nannte ihn Ollo, wie Grapsch es sich gewünscht hatte.
    Von diesem Augenblick an hörte Olli auf zu weinen. Jetzt hatte sie wieder jemanden, mit dem sie sprechen konnte. Und nun war sie auch nicht mehr böse auf Grapsch, sondern träumte in Sehnsucht von ihm und gab ihm zärtliche Namen wie Kolösserle und Lochnesserle, Ganövchen und Herzensöfchen.
    Wenn er doch bald heimkäme, um seinen herrlichen Sohn zu sehen!, dachte sie.
    Ollo war ein Junge, von dem sich nicht viel mehr erzählen lässt, als dass er eine spitze Nase und farblose Haare hatte und immer sehr brav war. Olli betrachtete ihn oft. Er ähnelte weder ihr noch Grapsch. Als Ollo ein Jahr alt war, begann er zu blinzeln. Olli kam auf die Idee, ihm die Brillen anzuprobieren, die Grapsch damals vom Nikolausabend mitgebracht hatte. Bei einer von ihnen hörte er auf zu blinzeln und wollte sie nicht mehr hergeben. - Und nun erkannte Olli plötzlich, wem er ähnlich sah: Tante Hedwig!

Mein Sonnenzirperlein, mein Monddüftchen

    In den nächsten beiden Jahren geschah im Rabenhorster Wald nicht viel - außer dass Olli die Batterien für das Melkmaschinchen ausgingen.
    Aber gerade da erschien Max hinter dem Sumpf - als ob er's geahnt hätte! -, und Olli holte ihn freudestrahlend herüber. Er brachte nicht nur neue Batterien mit, sondern sogar ein technisch ausge-reifteres Melkmaschinchen, mit dem man vier Meerschweinchen gleichzeitig melken konnte.
    Zu Ollis maßlosem Erstaunen wusste

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