Das große Buch vom Räuber Grapsch
fragte sie hoffnungsvoll. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Ich will auch Briefträger werden, Mama."
Als Ollo viereinhalb Jahre alt war, wachte Olli eines Nachts -es war Herbst und der Mond schien - von einem merkwürdigen Geräusch auf: Etwas kratzte am Fenster. Sie schlief mit Ollo nicht im Heu, sondern im Geburtskämmerchen. Das Fenster stand offen. Und da versuchte doch tatsächlich jemand, heimlich durch das Fenster hereinzusteigen!
Olli sträubten sich die Haare vor Schreck. Ein Räuber! Ein sehr großer sogar, breit wie ein Kleiderschrank, mit Riesenpranken, wuscheliger Mähne und einem mächtigen, kahlen Kinn. Und sie hatte keine Pistole im Kämmerchen, nicht einmal einen Knüppel! Jetzt - jetzt hob er ein Bein in die Kammer. Olli sprang aus dem Heubett, riss Ollo an sich und schrie schrill: „Verschwinde, du Unhold - oder ich wecke meinen Mann, den Räuber Grapsch! Der macht dich zu Kompott!"
Der fremde Räuber erschrak, erstarrte und ließ einen Furz. Überrascht horchte Olli auf, dann ließ sie Ollo ins Heu fallen, breitete die Arme aus, jubelte: „Tassilo, mein Monddüftchen!", und fiel dem Eindringling um den Hals.
„Hast du mich an der Stimme erkannt, mein Sonnenzirperlein?", flüsterte er gerührt, tastete herum und fand heraus, dass da noch jemand war. Jemand ganz Kleines. „Das ist Ollo, unser Sohn", verkündete Olli stolz. „Und er ist hier im Kämmerchen geboren." Da war der Räuber Grapsch ganz außer sich vor Glück. Er holte auch sein zweites Bein durchs Fenster herein und tollte - Olli auf dem einen Arm, Ollo auf dem anderen - so wild im Kämmerchen herum, dass die Wände auseinander platzten. Jetzt gab's kein Kämmerchen mehr, aber dafür war die Stube größer geworden. Olli briet ein Dutzend Eier, und Grapsch erzählte aus der großen, weiten Welt: Der Zirkus Grapsch werde immer berühmter und immer reicher. Die neun Grapsch-Töchter seien sooo groß und hübsch geworden, die rothaarigen wie die schwarzhaarigen. Ohne Oma Lis-beth gehe nichts mehr, aber Oma Ata werde allmählich müde und freue sich auf die Heimkehr. Nun, das dauere wohl noch eine gute Weile. Und der Bart musste ab, weil er Z ampano beim Kopf-in-den-Rachen-Stecken immer gekitzelt hatte. Einmal hätte ihm Zam-pano wegen dieser Kitzelei um ein Haar den Kopf abgebissen! „Die beiden Omas haben mir kurzen Urlaub gegeben", erklärte er, während er ein Ei nach dem anderen in sich hineinschob. „Weil ich vor Sehnsucht nach dir, mein Jubeltrillersamtschimmerhonigkäfer-chen, schon Fieber bekam. Morgen Früh muss ich wieder weg, zurück nach Montevideo. Aber diesmal -"
Diesmal ja! Ohne zu zögern. Natürlich mit Olli. Schon am nächsten Abend klapperte das Windrad nicht mehr, die Gatter standen weit offen, und in Ollis Garten wagte sich das erste Unkraut hervor. Der ganze Wald aber wimmelte von Meerschweinchen, und im Wipfel einer großen Fichte krähte der Hahn.
Zirkus Grapsch in Juckenau oder: Oma Atas Gala-Heimkehr
Als Ollo zehn Jahre alt war, kamen sie zurück, die Grapsche. Sie hatten sich Zeit gelassen. Olli war ja jetzt dabei. Inzwischen war der Zirkus Grapsch so berühmt, dass sich alle Städte der Welt um ihn rissen. Die Zeitungen berichteten über ihn, das Fernsehen zeigte ihn.
Und so beschlossen auch die Juckenauer, Grapschs Räubereien zu vergessen und ihn als Sohn des Juckener Ländchens zu feiern, samt seiner großen und berühmten Familie.
„Na, endlich haben sie kapiert, was sie an uns haben", dröhnte Oma Ata, als ein goldumrändertes Einladungsschreiben des Juckenauer Bürgermeisters ankam.
„Tassilein, jetzt geht's heim. Ich hab lange genug gelebt. Jetzt möcht ich zu Hause mit Genuss sterben."
Auch die anderen wollten wieder einmal daheim sein, für eine Weile. Vor allem Olli. Der Garten musste in Ordnung gebracht, das Haus musste groß reine gemacht werden! So zogen sie eines schönen Tages in Juckenau ein - mit vier Elefanten! - und bauten ihr Zelt auf. Die Juckenauer staunten: Grapsch sah ohne Bart so anders, so wie sie aus! Das ganze Juckener Ländchen hatte geflaggt, der Männerchor Harmonie sang, und der Bürgermeister persönlich hieß Grapsch und die Seinen willkommen und verkündete feierlich, dass es von nun an eine GRAPSCHALLEE in Juckenau gebe. Auch Hauptmann Stolzenrück erschien, in Gala-Uniform. Er schenkte Grapsch ein Paar nagelneue Stiefel Größe neunundvierzig, umarmte ihn und beteuerte ihm bewegt, dass er in ihm schon immer mehr einen Freund als einen Feind gesehen
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