Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
einem prächtigen Hirsch, und als er am Morgen erwachte, sprach er zu seiner Braut „ich will hinaus auf die Jagd.“ Ihr war Angst, und sie bat ihn, da zu bleiben und sagte „leicht kann dir ein großes Unglück begegnen“, aber er antwortete „ich soll und muss fort.“ Da stand er auf und zog hinaus in den Wald, und gar nicht lange, so hielt auch ein stolzer Hirsch vor ihm, ganz nach seinem Traume. Er legte an und wollte ihn schießen, aber der Hirsch sprang fort. Da jagte er ihm nach, über Graben und durch Gebüsche, und ward nicht müde den ganzen Tag; Am Abend aber verschwand der Hirsch vor seinen Augen. Und als das Goldkind sich umsah, so stand er vor einem kleinen Haus, darin saß eine Hexe. Er klopfte an, und ein Mütterchen kam heraus und fragte „was wollt ihr so spät noch mitten in dem großen Wald?“ Er sprach „habt ihr keinen Hirsch gesehen?“ „Ja“, antwortete sie, „den Hirsch kenn ich wohl,“ und ein Hündlein, das mit ihr aus dem Haus gekommen war, bellte dabei den Mann heftig an. „Willst du schweigen, du böse Kröte“, sprach er, „sonst schieß ich dich tot.“ Da rief die Hexe zornig „was, mein Hündchen willst du töten!“ und verwandelte ihn alsbald, dass er da lag wie ein Stein, und seine Braut erwartete ihn umsonst und dachte „es ist gewiss eingetroffen, was mir so Angst machte und so schwer auf dem Herzen lag.“
Daheim aber stand der andere Bruder bei den Goldlilien, als plötzlich eine davon umfiel. „Ach Gott“, sprach er, „meinem Bruder ist ein großes Unglück zugestoßen, ich muss fort, ob ich ihn vielleicht errette.“ Da sagte der Vater „bleib hier, wenn ich auch dich verliere, was soll ich anfangen?“ Er aber antwortete „ich soll und muss fort.“ Da setzte er sich auf sein goldenes Pferd und ritt fort und kam in den großen Wald, wo sein Bruder lag und Stein war. Die alte Hexe kam aus ihrem Haus, rief ihn an und wollte ihn auch berücken, aber er näherte sich nicht, sondern sprach „ich schieße dich nieder, wenn du meinen Bruder nicht wieder lebendig machst.“ Sie rührte, so ungerne sies auch tat, den Stein mit dem Finger an, und alsbald erhielt er sein menschliches Leben zurück. Die beiden Goldkinder aber freuten sich, als sie sich wiedersahen, küssten und herzten sich, und ritten zusammen fort aus dem Wald, der eine zu seiner Braut, der andere heim zu seinem Vater. Da sprach der Vater „ich wusste wohl, dass du deinen Bruder erlöst hattest, denn die goldene Lilie ist auf einmal wieder aufgestanden und hat fortgeblüht.“ Nun lebten sie vergnügt, und es ging ihnen wohl bis an ihr Ende.
Von dem Dummling
I.
Die weiße Taube
Vor eines Königs Pallast stand ein prächtiger Birnbaum, der trug jedes Jahr die schönsten Früchte, aber wenn sie reif waren, wurden sie in einer Nacht alle geholt, und kein Mensch wusste, wer es getan hatte.
Der König aber hatte drei Söhne, davon ward der jüngste für einfältig gehalten, und hieß der Dummling; da befahl er dem ältesten, er solle ein Jahr lang alle Nacht unter dem Birnbaum wachen, damit der Dieb einmal entdeckt werde. Der tat das auch und wachte alle Nacht, der Baum blühte und war ganz voll von Früchten, und wie sie anfingen, reif zu werden, wachte er noch fleißiger, und endlich waren sie ganz reif und sollten am andern Tage abgebrochen werden; in der letzten Nacht aber überfiel ihn ein Schlaf, und er schlief ein, und wie er aufwachte, waren alle Früchte fort, und nur die Blätter noch übrig.
Da befahl der König dem zweiten Sohn ein Jahr zu wachen, dem ging es nicht besser, als dem ersten; in der letzten Nacht konnte er sich des Schlafes gar nicht erwehren, und am Morgen waren die Birnen alle abgebrochen.
Endlich befahl der König dem Dummling ein Jahr zu wachen, darüber lachten alle, die an des Königs Hof waren. Der Dummling aber wachte, und in der letzen Nacht wehrt’ er sich den Schlaf ab, da sah er, wie eine weiße Taube geflogen kam, eine Birne nach der andern abpickte und fort trug. Und als sie mit der letzten fortflog, stand der Dummling auf und ging ihr nach; die Taube flog aber auf einen hohen Berg und verschwand auf einmal in einem Felsenritz. Der Dummling sah sich um, da stand ein kleines graues Männchen neben ihm, zu dem sprach er: „Gott gesegne dich!“ „Gott hat mich gesegnet in diesem Augenblick durch diese deine Worte, antwortete das Männchen, denn sie haben mich erlöst, steig du in den Felsen hinab, da wirst du dein Glück finden.“
Der
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