Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
billig; Ich glaube, wenn ich noch einen Trunk nehmen, so sollte mirs nicht schaden.“ Also tat es noch einen herzhaften Trunk, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.
Wie es so im besten essen war, kam der Herr daher gegangen, und rief „eil dich, Grethel, der Gast kommt gleich nach.“ „Ja, Herr, wills schon zurichten“, antwortete Grethel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer, womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Indem kam der Gast, klopfte sittig und höflich an der Haustüre. Grethel lief und schaute, wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach „still! still! Macht geschwind, dass ihr wieder fort kommt, wenn euch mein Herr erwischt, so seid ihr unglücklich; Er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn, als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur wie er das Messer dazu wetzt.“
Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte die Stiegen wieder hinab. Gretel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und rief „da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!“ „Ei, warum, Gretel? Was meinst du damit?“ „Ja“, sagte es, „der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.“ „Das ist feine Weise!“, sprach der Herr, und ward ihm leid um die schönen Hühner, „wenn er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu essen geblieben wäre.“ Er rief ihm nach, er sollte bleiben, aber der Gast tat als hörte er es nicht. Da lief er hinter ihm her, das Messer noch immer in der Hand, und schrie „Nur eins! Nur eins!“ und meinte, der Gast sollte ihm nur ein Huhn lassen, und nicht alle beide nehmen: Der Gast aber meinte nicht anders, als er sollte eins von seinen Ohren hergeben, und lief als wenn Feuer unter ihm brennte, damit er sie beide heimbrächte.
Der alte Großvater und der Enkel
Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floss ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal genug. Da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass. Einmal auch konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht fest halten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er sagte aber nichts und seufzte nur. Da kaufte sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus musste er nun essen.
Wie sie da so sitzen, so trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „Was machst du da?“, fragte der Vater. „Ich mache ein Tröglein“, antwortete das Kind, „daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.“ Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mit essen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.
Die Wassernixe
Ein Brüderchen und ein Schwesterchen spielten an einem Brunnen, und wie sie so spielten, plumpten sie beide hinein. Da war unten eine Wassernixe, die sprach „jetzt hab ich euch, jetzt sollt ihr mir brav arbeiten“ und führte sie mit sich fort. Dem Mädchen gab sie verwirrten garstigen Flachs zu spinnen, und es musste Wasser in ein hohles Fass schleppen, der Junge aber sollte einen Baum mit einer stumpfen Axt hauen; und nichts zu essen bekamen sie als steinharte Klöße. Da wurden zuletzt die Kinder so ungeduldig, dass sie warteten, bis eines Sonntags die Nixe in der Kirche war, da entflohen sie. Und als die Kirche vorbei war, sah die Nixe, dass die Vögel ausgeflogen waren, und setzte ihnen mit großen Sprüngen nach.
Die Kinder erblickten sie aber von weitem, und das Mädchen warf eine Bürste hinter sich, das gab einen großen Bürstenberg, mit tausend und tausend Stacheln, über den die Nixe mit großer Müh klettern musste; Endlich aber kam sie doch hinüber. Wie das die Kinder sahen, warf der Knabe einen Kamm hinter sich, das gab einen großen Kammberg mit tausendmal tausend Zinken, aber die Nixe wusste sich daran fest zu halten und kam zuletzt doch
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