Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
schwer?“ „Kinderleicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa, vivallalera!“ „So Geigen,“ sprach der Bär, „das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte, so oft ich Lust hätte. Was meinst du dazu? Willst du mir Unterricht darin geben?“ „Von Herzen gern,“ sagte das Schneiderlein, „wenn du Geschick dazu hast. Aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muss dir die Nägel ein wenig abschneiden.“ Da ward ein Schraubstock herbei geholt, und der Bär legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest und sprach „nun warte bis ich mit der Schere komme,“ ließ den Bären brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh und schlief ein.
Die Prinzessin, als sie am Abend den Bären so gewaltig brummen hörte, glaubte nicht anders, als er brummte vor Freuden und hätte dem Schneider den Garaus gemacht. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnügt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sies öffentlich versprochen hatte, und der König ließ einen Wagen kommen, darin musste sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermählt werden. Wie sie eingestiegen waren, gingen die beiden andern Schneider, die ein falsches Herz hatten und ihm sein Glück nicht gönnten, in den Stall und schraubten den Bären los. Der Bär in voller Wut rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hörte ihn schnauben und brummen: es ward ihr Angst, und sie rief „ach, der Bär ist hinter uns und will dich holen.“ Das Schneiderlein war fix, stellte sich auf den Kopf, streckte die Beine zum Fenster hinaus und rief „siehst du den Schraubstock? wann du nicht gehst, so sollst du wieder hinein.“ Wie der Bär das sah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut, und lebte er mit ihr vergnügt wie eine Heidlerche. Wers nicht glaubt, bezahlt einen Taler.
Die klare Sonne bringts an den Tag
Ein Schneidergesell reiste in der Welt auf sein Handwerk herum und konnte er einmal keine Arbeit finden, und war die Armut bei ihm so groß, dass er keinen Heller Zehrgeld hatte. In der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Jude, und da dachte er der hätte viel Geld bei sich und stieß Gott aus seinem Herzen, ging auf ihn los, und sprach „gib mir dein Geld, oder ich schlag dich tot.“ Da sagte der Jude „schenkt mir doch das Leben, Geld hab ich keins und nicht mehr als acht Heller.“ Der Schneider aber sprach „du hast doch Geld, und das soll auch heraus,“ brauchte Gewalt und schlug ihn so lange bis er nah am Tod war. Und wie der Jude nun sterben wollte, sprach er das letzte Wort „die klare Sonne wird es an den Tag bringen!“ und starb damit. Der Schneidergesell griff ihm in die Tasche und suchte nach Geld, er fand aber nicht mehr als die acht Heller, wie der Jude gesagt hatte. Da packte er ihn auf, trug ihn hinter einen Busch und zog weiter auf sein Handwerk. Wie er nun lange Zeit gereist war, kam er in eine Stadt bei einem Meister in Arbeit, der hatte eine schöne Tochter, in die verliebte er sich, und heiratete sie und lebte in einer guten vergnügten Ehe.
Über lang, als sie schon zwei Kinder hatten, starben Schwiegervater und Schwiegermutter, und die jungen Leute hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee, und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte da schien die Sonne darauf und der Widerschein blinkte oben an der Wand so hin und her und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach „ja, die wills gern an den Tag bringen und kanns nicht!“ Die Frau sprach „ei, lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?“ Er antwortete „das darf ich dir nicht sagen.“ Sie aber sprach „wenn du mich lieb hast, musst du mirs sagen“ und gab ihm die allerbesten Worte, es sollts kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzählte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen, und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen „die klare Sonne wirds an den Tag bringen!“ Nun hätts
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