Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
den Dreschflegel zum Wahrzeichen mit, so dass niemand an seiner Erzählung mehr zweifeln konnte.
Vom klugen Schneiderlein
Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz: kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu raten auf, und wenn ers nicht erraten konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer ihr Rätsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei ältesten sie hätten so manchen feinen Stich getan und hättens getroffen, da könnts ihnen nicht fehlen, sie müsstens auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte er müsste dabei Glück haben, denn woher sollts ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei andern zu ihm „bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bisschen Verstande nicht weit kommen.“ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und sagte es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und ging dahin als wäre die ganze Welt sein.
Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten sie sollte ihnen ihre Rätsel vorlegen: es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, dass man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin „ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?“ „Wenns weiter nichts ist,“ sagte der erste, „es wird schwarz und weiß sein, wie Tuch, das man Kümmel und Salz nennt.“ Die Prinzessin sprach „falsch geraten, antworte der zweite.“ Da sagte der zweite „ists nicht schwarz und weiß, so ists braun und roth, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.“ „Falsch geraten,“ sagte die Prinzessin, „antworte der dritte, dem seh ichs an, der weiß es sicherlich.“ Da trat das Schneiderlein keck hervor, und sprach „die Prinzessin hat ein silbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.“ Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blass, und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte fest geglaubt das würde kein Mensch auf der Welt heraus bringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie „damit hast du mich noch nicht gewonnen, du musst noch eins tun, unten im Stall liegt ein Bär, bei dem sollst du die Nacht zubringen; wenn ich dann morgen aufstehe, und du bist noch lebendig, so sollst du mich heiraten.“ Sie dachte aber damit wollte sie das Schneiderlein los werden, denn der Bär hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken, war ganz vergnügt, und sprach „frisch gewagt, ist halb gewonnen.“
Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Bären gebracht. Der Bär wollt auch gleich auf den kleinen Kerl los und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. „Sachte, sachte,“ sprach das Schneiderlein, „ich will dich schon zur Ruhe bringen.“ Da holte es ganz gemächlich, als hätt es keine Sorgen, welsche Nüsse aus der Tasche, biss sie auf und aß die Kerne. Wie der Bär das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nüsse sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen wie er wollte. „Ei,“ dachte er, „was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen“ und sprach zum Schneiderlein „mein, beiß mir die Nüsse auf.“ „Da siehst du was du für ein Kerl bist,“ sprach das Schneiderlein, „hast so ein großes Maul und kannst die kleine Nuss nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuss in den Mund und knack, war sie entzwei. „Ich muss das Ding noch einmal probieren,“ sprach der Bär, „wenn ichs so ansehe, ich mein ich müssts auch können.“ Da gab ihm das Schneiderlein abermals Wackersteine, und der Bär arbeitete und biss aus allen Leibeskräften hinein. Aber du glaubst auch nicht dass er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär die Musik vernahm, konnte er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, dass er zum Schneiderlein sprach „hör, ist das Geigen
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