Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
Brüder zu gleicher Zeit an dem Kreuzwege zusammen, herzten und küssten sich und kehrten heim zu ihrem Vater. „Nun,“ sprach dieser ganz vergnügt, „hat euch der Wind wieder zu mir geweht?“ Sie erzählten wie es ihnen ergangen war und dass jeder das Seinige gelernt hätte. Nun saßen sie gerade vor dem Haus unter einem großen Baum, da sprach der Vater „jetzt will ich euch auf die Probe stellen und sehen was ihr könnt.“ Danach schaute er auf und sagte zu dem zweiten Sohne „oben im Gipfel dieses Baums sitzt zwischen zwei Ästen ein Buchfinkennest, sag mir wie viel Eier liegen darin?“ Der Sterngucker nahm sein Glas, schaute hinauf und sagte „fünfe sinds.“ Sprach der Vater zum ältesten „hol du die Eier herunter, ohne dass der Vogel, der darauf sitzt und brütet, gestört wird.“ Der kunstreiche Dieb stieg hinauf und nahm dem Vöglein, das gar nichts davon merkte und ruhig sitzen blieb, die fünf Eier unter dem Leib weg und brachte sie dem Vater herab. Der Vater nahm sie, legte an jede Ecke des Tisches eins und das fünfte in die Mitte, und sprach zum Jäger „du schießest mir mit einem Schuss die fünf Eier in der Mitte entzwei.“ Der Jäger legte seine Büchse an und schoss die Eier, wie es der Vater verlangt hatte, alle fünfe, und zwar in einem Schuss. Der hatte gewiss von dem Pulver das um die Ecke schießt. „Nun kommt die Reihe an dich,“ sprach der Vater zu dem vierten Sohn, „du nähst die Eier wieder zusammen und auch die jungen Vöglein, die darin sind, und zwar so, dass ihnen der Schuss nichts schadet.“ Der Schneider holte seine Nadel und nähte wies der Vater verlangt hatte. Als er fertig war, musste der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen und dem Vogel, ohne dass er etwas merkte, wieder unter legen. Das Tierchen brütete sie vollends aus, und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor und hatten da, wo sie vom Schneider zusammengenäht waren, ein rotes Streifchen um den Hals.
„Ja,“ sprach der Alte zu seinen Söhnen, „ich muss euch über den grünen Klee loben, ihr habt eure Zeit wohl benutzt und was Rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebührt. Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden, da wird sichs ausweisen.“ Nicht lange danach kam großer Lärm ins Land, die Königstochter wäre von einem Drachen entführt worden. Der König war Tag und Nacht darüber in Sorgen und ließ bekannt machen wer sie zurück brächte, sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Brüder sprachen unter einander „das wäre eine Gelegenheit, wo wir uns könnten sehen lassen“ wollten zusammen ausziehen und die Königstochter befreien. „Wo sie ist, will ich bald wissen“ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Fernrohr und sprach „ich sehe sie schon, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer und neben ihr der Drache, der sie bewacht.“ Da ging er zu dem König und bat um ein Schiff für sich und seine Brüder und fuhr mit ihnen über das Meer bis sie zu dem Felsen hin kamen. Die Königstochter saß da, aber der Drache lag in ihrem Schoß und schlief. Der Jäger sprach „ich darf nicht schießen, ich würde die schöne Jungfrau zugleich töten.“ „So will ich mein Heil versuchen“ sagte der Dieb, schlich sich heran und stahl sie unter dem Drachen weg, aber so leis und behend, dass das Untier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff und steuerten in die offene See: aber der Drache, der bei seinem Erwachen die Königstochter nicht mehr gefunden hatte, hinter ihnen her und schnaubte wüthend durch die Luft. Als er gerade über dem Schiff schwebte und sich herablassen wollte, legte der Jäger seine Büchse an und schoss ihm mitten ins Herz. Das Untier fiel tot herab, war aber so groß und gewaltig, dass es im Herabfallen das ganze Schiff zertrümmerte. Sie erhaschten glücklich noch ein paar Bretter und schwammen auf dem weiten Meer umher. Da war wieder große Not, aber der Schneider, nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, nähte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich darauf, und sammelte alle Stücke des Schiffs. Dann nähte er auch diese so geschickt zusammen, dass in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war und sie glücklich heim fahren konnten.
Als der König seine Tochter wieder erblickte, war große Freude. Er sprach zu den vier Brüdern „einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter
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