Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
euch aus.“ Da entstand ein heftiger Streit unter ihnen, denn jeder machte Ansprüche. Der Sterngucker sprach „hätt ich nicht die Königstochter gesehen, so wären alle eure Künste umsonst gewesen: darum ist sie mein.“ Der Dieb sprach „was hätte das Sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggeholt hätte: darum ist sie mein.“ Der Jäger sprach „ihr wärt doch sammt der Königstochter von dem Untier zerrissen worden, hätte es meine Kugel nicht getroffen: darum ist sie mein.“ Der Schneider sprach „und hätte ich euch mit meiner Kunst nicht das Schiff wieder zusammengeflickt, ihr wärt alle jämmerlich ertrunken: darum ist sie mein.“ Da tat der König den Ausspruch „jeder von euch hat ein gleiches Recht, und weil ein jeder die Jungfrau nicht haben kann, so soll sie keiner von euch haben, aber ich will jedem zur Belohnung ein halbes Königreich geben.“ Den Brüdern gefiel diese Entscheidung, und sie sprachen „es ist besser so, als dass wir uneins werden.“ Da erhielt jeder ein halbes Königreich, und sie lebten mit ihrem Vater in aller Glückseligkeit, so lange es Gott gefiel.
Der Soldat und der Schreiner
Es wohnten in einer Stadt zwei Tischler, deren Häuser stießen aneinander und jeder hatte einen Sohn; die Kinder waren immer beisammen, spielten miteinander und hießen darum das Messerchen und Gäbelchen, die auch immer nebeneinander auf den Tisch gelegt werden. Als sie nun beide groß waren, wollten sie auch von einander nicht weichen, der eine war aber Mutig und der andere furchtsam, da ward der eine Soldat, der andere lernte das Handwerk. Wie die Zeit kam, dass dieser wandern musste, wollt’ ihn der Soldat nicht verlassen und gingen sie zusammen aus. Sie kamen nun in eine Stadt, wo der Tischler bei einem Meister in die Arbeit ging, der Soldat wollte da auch bleiben und verdingte sich bei demselben Meister als Hausknecht. Das wär’ gut gewesen, aber der Soldat hatte keine Lust am Arbeiten, lag auf der Bärenhaut und es dauerte nicht lang, so wurde er vom Meister weggeschickt; der fleißige wollt’ ihn aus Treue nun nicht allein lassen, sagte dem Meister auf und zog mit ihm weiter. So ging’s aber immer fort; hatten sie Arbeit, so dauerte es nicht lang, weil der Soldat faul war und fortgeschickt wurde, der andere aber ohne ihn nicht bleiben wollte. Einmal kamen sie in eine große Stadt, weil aber der Soldat keine Hand regen wollte, ward er am Abend schon verabschiedet und sie mussten dieselbe Nacht wieder hinaus. Da führte sie der Weg vor einen unbekannten großen Wald; der Furchtsame sprach: „ich geh’ nicht hinein, darin springen Hexen und Gespenster herum.“ Der Soldat aber antwortete: „ei was! davor fürcht’ ich mich noch nicht!“ ging voran, und der Furchtsame, weil er doch nicht von ihm lassen wollte, ging mit. In kurzer Zeit hatten sie den Weg verloren und irrten in der Dunkelheit durch die Bäume, endlich sahen sie ein Licht. Das suchten sie auf und kamen zu einem schönen Schloss, das hell erleuchtet war, und haußen lag ein schwarzer Hund und auf einem Teich neben saß ein roter Schwan; als sie aber hineintraten, sahen sie nirgends einen Menschen, bis sie in die Küche kamen, da saß noch eine graue Katze bei einem Topf am Feuer und kochte.
Sie gingen weiter und fanden viele prächtige Zimmer, die waren alle leer, in einem aber stand ein Tisch mit Essen und Trinken reichlich besetzt. Weil sie nun großen Hunger hatten, machten sie sich daran und ließen sich’s gut schmecken. danach sprach der Soldat: „wenn du gegessen hast und satt worden bist, sollst du schlafen gehen!“ machte eine Kammer auf, darin standen zwei schöne Betten. Sie legten sich, aber als sie eben einschlafen wollten, fiel dem Furchtsamen ein, dass sie noch nicht gebetet hätten, da stand er auf und sah in der Wand einen Schrank, den Schloss er auf und war da ein Krucifix mit zwei Gebetbüchern dabei. Gleich weckte er den Soldaten, dass er aufstehen musste und sie knieten beide nieder und taten ihr Gebet; danach schliefen sie ruhig ein. Am andern Morgen kriegte der Soldat einen heftigen Stoß, dass er in die Höhe fuhr: „du, was schlägst du mich“ rief er dem andern zu, der aber hatte auch einen Stoß gekriegt und sprach: „was stößt du mich, ich stoß dich nicht!“ Da sagte der Soldat: „es wird wohl ein Zeichen sein, dass wir hervor sollen.“ Wie sie nun herauskamen, stand schon ein Frühstück auf dem Tisch, der Furchtsame sprach aber: „eh’ wir
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