Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
ich dich wohl hinein lassen für Lohn und gute Worte, aber du musst doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stück übrig, das ich erst lernen muss.“ Als der Schüler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat dass er doch möchte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit wäre gar zu groß. Da stellte sich der oben als gäbe er endlich nach und sprach „damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, musst du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.“ Also ließ der Schüler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber „nun zieh mich recht geschwind hinauf,“ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. „Halt!“ sagte der andere, „so gehts nicht an,“ packte ihn beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnürte zu, und zog den Jünger der Weisheit am Strick baumwärts, dann schwengelte er ihn in der Luft und sprach „wie stehts, mein lieber Geselle? siehe, schon fühlst du dass dir die Weisheit kommt und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du klüger wirst.“ Damit stieg er auf des Schülers Pferd, ritt fort, schickte aber nach einer Stunde jemand, der ihn wieder herablassen musste.
Das junggeglühte Männlein
Zur Zeit da unser Herr noch auf Erden ging, kehrte er eines Abends mit dem heiligen Petrus bei einem Schmied ein und bekam willig Herberge. Nun geschahs, dass ein armer Bettelmann, von Alter und Gebrechen hart gedrückt, in dieses Haus kam und vom Schmied Almosen forderte. Dessen erbarmte sich Petrus und sprach „Herr und Meister, so dirs gefällt, heil ihm doch seine Plage, dass er sich selbst sein Brot möge gewinnen.“ Sanftmütig sprach der Herr „Schmied, leih mir deine Esse und lege mir Kohlen an, so will ich den alten kranken Mann zu dieser Zeit verjüngen.“ Der Schmied war ganz bereit, und St. Petrus zog die Bälge, und als das Kohlenfeuer auffunkte, groß und hoch, nahm unser Herr das alte Männlein, schobs in die Esse, mitten ins rote Feuer, dass es drin glühte wie ein Rosenstock, und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Löschtrog, zog das glühende Männlein hinein, dass das Wasser über ihn zusammenschlug, und nachdem ers fein sittig abgekühlt, gab er ihm seinen Segen: siehe, zuhand sprang das Männlein heraus, zart, gerade, gesund, und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugesehen hatte, lud sie alle zum Nachtmahl. Er hatte aber eine alte halbblinde bucklichte Schwieger die machte sich zum Jüngling hin und forschte ernstlich ob ihn das Feuer hart gebrennet habe. Nie sei ihm besser gewesen antwortete jener, er habe da in der Glut gesessen wie in einem kühlen Tau.
Was der Jüngling gesagt hatte, das klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau, und als der Herr frühmorgens die Straße weiter gezogen war und dem Schmied wohl gedankt hatte, meinte dieser er könnte seine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordentlich alles mit angesehen habe, und es in seine Kunst schlage. Rief sie deshalb an, ob sie auch wie ein Mägdlein von achtzehn Jahren in Sprüngen daher wollte gehen. Sie sprach „von ganzem Herzen,“ weil es dem Jüngling auch so sanft angekommen war. Machte also der Schmied große Glut und stieß die Alte hinein, die sich hin und wieder bog und grausames Mordgeschrei anstimmte. „Sitz still, was schreist und hüpfst du, ich will erst weidlich zublasen.“ Zog damit die Bälge von neuem bis ihr alle Haderlumpen brannten. Das alte Weib schrie ohne Ruhe, und der Schmied dachte „Kunst geht nicht recht zu,“ nahm sie heraus und warf sie in den Löschtrog. Da schrie sie ganz überlaut, dass es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur hörten: die liefen beide die Stiegen herab, und sahen die Alte heulend und maulend ganz zusammen geschnurrt im Trog liegen, das Angesicht gerunzelt, gefaltet und ungeschaffen. Darob sich die zwei, die beide mit Kindern gingen, so entsetzten, dass sie noch dieselbe Nacht zwei Junge gebaren, die waren nicht wie Menschen geschaffen, sondern wie Affen, liefen zum Wald hinein; und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her.
Des Herrn und des Teufels Getier
Gott der Herr hatte alle Tiere erschaffen und sich die Wölfe zu seinen Hunden auserwählet: blos der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen und machte die Geise mit feinen langen Schwänzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhecken hängen, da
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