Drucke zu Lebzeiten
Franz Kaa
Kritische Ausgabe
Drucke
zu Lebzeiten
S. Fischer
Franz Kaa
Schrien Tagebücher Briefe
Franz Kaa
Schrien Tagebücher Briefe
Kritische Ausgabe
Herausgegeben von
Jürgen Born, Gerhard Neumann,
Malcolm Pasley und Jost Schillemeit
unter Beratung von
Nahum Glatzer, Rainer Gruenter, Paul Raabe
und Marthe Robert
S. Fischer
Franz Kaa
Drucke zu Lebzeiten
Herausgegeben von
Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch und
Gerhard Naumann
S. Fischer
Redaktion dieses Bandes:
Hans-Gerd Koch
Forschungsstelle Prager deutsche Literatur
Bergische Universität
Gesamthochschule Wuppertal
Die Ausgabe wird
von der Deutschen Forschungsgemeinscha
und dem Minister für Wissenscha und Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert
Drucke zu Lebzeiten entspricht inhaltlich den Bänden Betrachtung , erschienen 1913 im Ernst Rowohlt Verlag, Berlin, Der Heizer , erschienen 1913 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Die Verwandlung , erschienen 1915 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Das Urteil , erschienen 1916
im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, In der Straolonie , erschienen 1919 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Ein Landarzt , erschienen 1919 im Kurt Wolff Verlag, München und Leipzig, und Ein Hungerkünstler , erschienen 1924 im Verlag Die Schmiede, Berlin.
Lizenzausgabe mit Genehmigung
von Schocken Books Inc., New York City, USA
für die S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M.
Copyright by Schocken Verlag, Berlin
Copyright , by Schocken Books Inc., New York City, USA
Für diese Ausgabe:
© Schocken Books Inc., New York City, USA
Gestaltung: Peter W. Schmidt
Satz: Fotosatz Otto Gutfreund, Darmstadt
Druck: Wagner GmbH, Nördlingen
Einband: G. Lachenmaier, Reutlingen
Printed in Germany
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---x (Textband)
--- (Apparatband)
Drucke zu Lebzeiten
Betrachtungen
Für M. B.
Kinder auf der Landstraße
Ich hörte die Wagen an dem Gartengitter vorüberfahren,
manchmal sah ich sie auch durch die schwach bewegten
Lücken im Laub. Wie krachte in dem heißen Sommer
das Holz in ihren Speichen und Deichseln! Arbeiter ka-
men von den Feldern und lachten, daß es eine Schande
war.
Ich saß auf unserer kleinen Schaukel, ich ruhte mich
gerade aus zwischen den Bäumen im Garten meiner El-
tern.
Vor dem Gitter hörte es nicht auf. Kinder im Lauf-
schritt waren im Augenblick vorüber; Getreidewagen
mit Männern und Frauen auf den Garben und rings her-
um verdunkelten die Blumenbeete; gegen Abend sah ich
einen Herrn mit einem Stock langsam spazieren gehn
und paar Mädchen, die Arm in Arm ihm entgegenka-
men, traten grüßend ins seitliche Gras.
Dann flogen Vogel wie sprühend auf, ich folgte ihnen
mit den Blicken, sah, wie sie in einem Atemzug stiegen,
bis ich nicht mehr glaubte, daß sie stiegen, sondern daß
ich falle, und fest mich an den Seilen haltend aus Schwä-
che ein wenig zu schaukeln anfing. Bald schaukelte ich
[ ]
stärker, als die Lu schon kühler wehte und statt der
fliegenden Vögel zitternde Sterne erschienen.
Bei Kerzenlicht bekam ich mein Nachtmahl. O hatte
ich beide Arme auf der Holzplatte und, schon müde, biß
ich in mein Butterbrot. Die stark durchbrochenen Vor-
hänge bauschten sich im warmen Wind, und manchmal
hielt sie einer, der draußen vorüberging, mit seinen Hän-
den fest, wenn er mich besser sehen und mit mir reden
wollte. Meistens verlöschte die Kerze bald und in dem
dunklen Kerzenrauch trieben sich noch eine Zeitlang die
versammelten Mücken herum. Fragte mich einer vom
Fenster aus, so sah ich ihn an, als schaue ich ins Gebirge
oder in die bloße Lu, und auch ihm war an einer Ant-
wort nicht viel gelegen.
Sprang dann einer über die Fensterbrüstung und mel-
dete, die anderen seien schon vor dem Haus, so stand ich
freilich seufzend auf.
„Nein, warum seufzst Du so? Was ist denn geschehn?
Ist es ein besonderes, nie gut zu machendes Unglück?
Werden wir uns nie davon erholen können? Ist wirklich
alles verloren?“
Nichts war verloren. Wir liefen vor das Haus. „Gott
sei Dank, da seid Ihr endlich!“ – „Du kommst halt im-
mer zu spät!“ – „Wieso denn ich?“ – „Gerade Du, bleib
zu Hause, wenn Du nicht mitwillst.“ – „Keine Gna-
den!“ – „Was? Keine
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