Die Todesgöttin
Eigentlich hieß sie Parwati und war Schiwas Gemahlin. Bekannt wurde sie aber nur unter dem Namen Kali.
Kali - die Göttin des Todes!
Sie hatte die Angewohnheit, in verschiedenen Gestalten aufzutreten, und ihre Urgestalt war die schrecklichste.
Sie besaß vier Arme. Pechschwarz war das Gesicht. Die Augen glühten ebenso rot wie die Handflächen. Ihr Haarwirrwarr war blutbefleckt, und um ihren Hals hing eine Kette aus Menschenköpfen.
Seit unzähligen Jahren hatten die Menschen Angst vor ihr. Sie fürchteten die grausamen Taten eines noch grausameren Götzen. Bis in die heutige Zeit hatte sich daran nichts geändert. Kalis Geist war unsterblich…
***
Jim Marlowe kannte sich aus!
Nicht nur in den Bordells von Bombay oder Kalkutta, sondern auch in den undurchdringlichsten Dschungeln und mörderischen Sümpfen des gewaltigen indischen Kontinents.
Dreißig Jahre in diesem verfluchten, aber dennoch faszinierenden Land hatten Jim Marlowe zu einem Typ gemacht, wie ihn Jack London in seinen Abenteuerromanen als Hauptfigur verwendet hätte. Der gebürtige Engländer hatte schon alles hinter sich.
Krieg, Gefangenschaft, Flucht. Er war Leibwächter eines Maharadschas gewesen, Elefantentreiber und Goldschürfer. Als es Mode war, hatte er mit Rauschgift gehandelt und Alkohol geschmuggelt. Und er war ein ausgezeichneter Flieger. Sein eigentlicher Job, zu dem er seit einigen Jahren wieder zurückgefunden hatte. Die Cessna hatte er geschenkt bekommen, wieder auf Vordermann gebracht und seine Ein-Mann-Firma eröffnet. Er flog Geschäftsleute und Touristen. Er hüpfte von Stadt zu Stadt oder landete auf schwierigen Dschungelpisten. Jim Marlowe war wirklich ein As unter den Dschungelpiloten.
Es hatte sich herumgesprochen, dass er keine Furcht kannte und ein ausgezeichneter Flieger war, deshalb brauchte er sich über Auftragsnachschub nicht zu beklagen. Seit langer Zeit war es ihm nicht mehr so gut gegangen wie in den letzten zehn Monaten. Im Augenblick hatte er ebenfalls einen Fluggast. Einen englischen Archäologen. Der Mann war auf ihn zugekommen und hatte sich nach einem Tempel erkundigt, der inmitten des Dschungels lag. Nach dem Tempel der Göttin Kali.
»Da wollen Sie hin?« hatte der Pilot gefragt.
»Nicht direkt.«
»Sondern?«
Der Archäologe, ein hagerer Typ mit grauen Haaren, lächelte. »Sie sollen ihn nur überfliegen.«
»Aha.« Marlowe verstand zwar nichts, aber er tat wenigstens so. »Und was geschieht dann?«
»Ich fotografiere den Tempel. Meine Kamera ist ausgezeichnet. Sie macht aus großer Höhe Bilder.«
»Und da ist kein Haken dabei?«
»Nein, wieso?«
»Weil ich mich wundere. Es ist nicht billig, wenn Sie mich mieten. Und nur um einen Tempel zu fotografieren, ist das ein wenig viel Aufwand. Finden Sie nicht auch?«
»Nein.«
Nach dieser knappen Antwort hatte Marlowe nicht mehr gefragt und war geflogen.
Er wusste ungefähr, wo der Tempel lag. Sie waren in Kalkutta gestartet und nach Westen geflogen. 300 Meilen weiter lag Jamshedpur. Dort waren sie zwischengelandet und hatten Treibstoff getankt. Die Stadt lag am Fuß der Berge und galt als Ausgangspunkt für zahlreiche Dschungelexpeditionen. Und der Dschungel lag jetzt unter ihnen. Eine grüne, wellige Landschaft, die irgendwie an ein gewaltiges Meer erinnerte. Wenn sie tiefer flogen, sahen sie hin und wieder einen Flußlauf, der das satte Grün unterbrach.
Jim Marlowe kannte die Landschaft. Er flog die Strecke nicht zum ersten mal und hatte keinen Grund, immer aus dem Fenster zu schauen. Das überließ er seinem Passagier, der sich nicht satt sehen konnte, an der Kamera herumwerkelte und hin und wieder ein paar Fotos schoss. Komischer Kauz, dachte Marlowe, aber Hauptsache, ich habe mein Geld bekommen.
Die Motoren liefen ruhig. Kein Hinweis darauf, dass etwas schief laufen würde. Gute Bedingungen für einen günstigen Flug, wenn nicht im Westen die dunkle Front gewesen wäre.
Das gefiel dem Piloten überhaupt nicht. Sie stand dort wie eine drohende Wand. Umfliegen konnte er sie nicht, weil das Ziel seines Passagiers in etwa dort lag, wo auch die Wand stand. Er musste direkt hinein. Der Landsmann vor ihm saß auf dem Nebensitz und beschäftigte sich mit seiner Kamera. Er war ein schweigsamer Mensch, sprach kaum ein Wort und sah nur zu, dass er seinen Apparat schussbereit hatte, wenn sie das Ziel erreichten. Hin und wieder warf er Marlowe einen knappen Blick zu, als wollte er etwas fragen.
Die Wand rückte näher.
Jim schätzte die
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