Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
stecken, wo du willst.“
Endlich aber blieb sie bei einer Leiche sitzen und fraß und fraß, als wenn es der beste Braten gewesen wäre. Da stand der Schneider leise auf, schlich an ihr vorbei, bis vor den Altar und legte sich in den Sarg. Mit dem Schlag Zwölf kam die Prinzessin und wollte hineinsteigen. Als sie aber den Schneider sah, fing sie an sehr zu klagen und zu bitten, es sei ja ihr Bett, er solle doch herausgehen und sie hineinlassen, dass sie schlafen könne. Als das nichts half, fing sie an aufs Fürchterlichste zu toben, als wenn sie ihn auf der Stelle umbringen wollte; er blieb aber ruhig liegen und sie konnte ihn nicht anrühren. Mit dem Schlage Eins stürzte die Prinzessin zusammen und blieb auf dem Boden liegen und schlief. Der Schneider stand auf und sprach: „Du hast gut schlafen, denn du hast dich satt gefressen, ich habe aber seit gestern Mittag noch Nichts in den Leib bekommen!“ und somit machte er sich über das Essen und den Wein her und ruhte nicht eher, als bis er auch auf den Boden fiel und schlief wie ein Sack. Des andern Morgens kam der König mit dem Hofstaat herein, da lagen sie alle zwei auf der Erde, das Eine da und das Andere dort und schliefen als sollten sie nicht wieder aufstehn.
Als nun Hochzeit gehalten war, und der Schneider zum ersten Mal bei der Prinzessin lag, da fürchtete er sich so vor ihr, dass er aus dem Bett springen wollte, wenn sie nur einen Finger bewegte. „Ei du Narr,“ sprach sie, „bleib nur, ich thu dir ja Nichts, ich hab auch die Leichen nicht gefressen, es musste dir nur so vorkommen.“ Da fürchtete sich der Schneider nicht länger und gab ihr einen herzhaften Kuss. Sie lebten lang und glücklich beisammen und bekamen viel schöne Kinder.
Die Schlange im brennenden Wald
Es war in einem heißen Sommer, da zündeten zwei Hirtenknaben ein Feuerchen im Walde an, um sich Kartoffeln zu braten. Aber das Feuer erfasste das dürre Laub, dann das dürre und endlich auch das grüne Holz und da der Wind heftig wehte, so stand bald der ganze Wald in Flammen. Am Rande des Waldes arbeitete ein Bauer auf seinem Felde. Als er dem Feuer so zusah, wie es an den Bäumen emporleckte, das grüne Laub fraß und endlich Zweig um Zweig ergriff, hörte er plötzlich, wie eine Stimme aus dem Feuer ihn beim Namen rief. Er eilte darauf zu, da sah er ein Schlänglein, welches sich auf einen Baum gerettet hatte, das schaute ihn mit flehenden Augen an und rief: „Ach hilf mir doch aus dem Feuer!“ Der Bauer nahm eine lange Stange und hielt sie ihm dar, da verließ es den Baum und ringelte sich um die Stange. Der Bauer aber legte es ins Gras, machte eine Grube in die Erde und sprach: „Komm, dass ich dich in das Kühle lege, das ist gut für Brandwunden.“ Da wand das Schlänglein sich von der Stange los und kroch in die Grube und der Bauer deckte es mit Erde zu, so dass ihm nur der Kopf herausschaute. Als es eine Weile so dagelegen hatte, sprach es: „Ein Dienst ist des andern werth, plagt dich nicht ewiger Magenschmerz?“ „Das weiß der Himmel,“ sprach der Bauer, „ich [264] habe Tag und Nacht keine Ruhe davor.“ „Dann lege dich hier neben mich auf die Erde, drück die Augen zu und sperre den Mund auf,“ sprach das Schlänglein. Der Bauer tat es, husch schlüpfte das Schlänglein aus der Grube heraus, dem Bauern durch Mund und Schlund und holte aus seinem Magen sieben junge Eidechsen heraus, welche ihn schon Jahr und Tag geplagt hatten. Als der Mann die Tiere sah und seinen Magen so frei fühlte, wusste er vor lauter Dankbarkeit nicht, was machen. Da sprach das Schlänglein: „Du kannst mir einen großen Dienst erweisen und es kostet dich gar nichts.“ „Ach so sag es doch schnell,“ rief der glückliche Bauer, „Alles was du willst, sag es nur.“ „Nun so nimm dein Beil und haue mir den Kopf ab,“ sprach das Schlänglein. „Gott behüte mich,“ rief der Bauer, „das tue ich nun und nimmermehr.“ Da bat das Schlänglein aber so flehentlich darum und hielt ihm vor, er solle doch nicht sein Glück verscherzen, bis er endlich sein Beil nahm, den Kopf herumdrehte und einen kräftigen Schlag tat. Da fuhr das Schlangenhaupt weit weg, aber aus dem Leib stieg die schönste Prinzessin heraus, die sprach: „Hast du mich aus meiner Verwünschung erlöst, so will ich dich aus deiner Armut erlösen.“ Der Bauer musste sie ins Schloss fahren, da war große Freude, als der König und die Königin sie wiedersahen. Zum Lohne wurde der Wagen, womit der Bauer
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