Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
blieb eine Zeit lang dort. Als er ein paar Schulen durchgelernt hatte, doch aber noch nicht in allem vollkommen war, so war das bisschen Armut, das der Vater erworben hatte, drauf gegangen, und er musste wieder zu ihm heim kehren. „Ach“, sprach der Vater betrübt, „ich kann dir nichts mehr geben und kann in der teuern Zeit auch keinen Heller mehr verdienen als das tägliche Brot.“ „Lieber Vater“, antwortete der Sohn, „macht euch darüber keine Gedanken, wenns Gottes Wille also ist, so wirds zu meinem Besten ausschlagen; ich will mich schon drein schicken.“ Als der Vater hinaus in den Wald wollte, um etwas am Malterholz (am Zuhauen und Aufrichten) zu verdienen, so sprach der Sohn „ich will mit euch gehen und euch helfen.“ „Ja, mein Sohn“, sagte der Vater, „das sollte dir beschwerlich an kommen, du bist an harte Arbeit nicht gewöhnt, du hältst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt und kein Geld übrig, um noch eine zu kaufen.“ „Geht nur zum Nachbar“, antwortete der Sohn, „der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.“
Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt, und am andern Morgen, bei Anbruch des Tags, gingen sie zusammen hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne über ihnen stand, sprach der Vater „wir wollen rasten und Mittag halten, hernach gehts noch einmal so gut.“ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand und sprach „ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht müde, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen und Vogelnester suchen.“ „O du Geck“, sprach der Vater, „was willst du da herum laufen, hernach bist du müde und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setze dich zu mir.“
Der Sohn aber ging in den Wald, aß sein Brot, war ganz fröhlich und sah in die grünen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So ging er hin und her, bis er endlich zu einer großen gefährlichen Eiche kam, die gewiss schon viele hundert Jahre alt war und die keine fünf Menschen umspannt hätten. Er blieb stehen und sah sie an und dachte „es muss doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben.“ Da däuchte ihn auf einmal als hörte er eine Stimme. Er horchte und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief „lass mich heraus, lass mich heraus.“
Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, doch es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervor käme. Da rief er „wo bist du?“ Die Stimme antwortete „ich stecke da unten bei den Eichwurzeln. lass mich heraus, lass mich heraus.“ Der Schüler fing an unter dem Baum aufzuräumen und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. „Lass mich heraus, lass mich heraus“, riefs von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus und fing an zu wachsen, und wuchs so schnell, dass er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. „weißt du“, rief er mit einer fürchterlichen Stimme, „was dein Lohn dafür ist, dass du mich heraus gelassen hast?“ „Nein“, antwortete der Schüler ohne Furcht, „wie soll ich das wissen?“ „So will ich dirs sagen“, rief der Geist, „den Hals muss ich dir dafür brechen.“ „Das hättest du mir früher sagen sollen“, antwortete der Schüler, „so hätte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.“ „Mehr Leute hin, mehr Leute her“, rief der Geist, „deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein, es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich loslässt, dem muss ich den Hals brechen.“ „Sachte“, antwortete der Schüler, „so geschwind geht das nicht, erst muss ich auch wissen dass du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast und dass du der rechte Geist bist: kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und dann magst du mit mir anfangen was du willst.“ Der Geist sprach voll Hochmut „das ist eine geringe Kunst,“ zog sich zusammen und machte sich so dünn und klein, wie er anfangs gewesen war, also dass er durch dieselbe Öffnung und durch den Hals
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