Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
der Flasche wieder hinein kroch. Kaum aber war er darin, so drückte der Schüler den abgezogenen Pfropfen wieder auf und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz, und der Geist war betrogen.
Nun wollte der Schüler zu seinem Vater zurückgehen, aber der Geist rief ganz kläglich „ach, lass mich doch heraus, lass mich doch heraus.“ „Nein“, antwortete der Schüler, „zum zweitenmale nicht: wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat, den lass ich nicht los, wenn ich ihn wieder eingefangen habe.“ „Wenn du mich frei machst“, rief der Geist, „so will ich dir so viel geben, dass du dein Lebtag genug hast.“ „Nein“, antwortete der Schüler, „du würdest mich betrügen wie das erstemal.“ „Du verscherzest dein Glück“, sprach der Geist, „ich will dir nichts tun, sondern dich reichlich belohnen.“ Der Schüler dachte „ich wills wagen, vielleicht hält er Wort, und anhaben soll er mir doch nichts.“
Da nahm er den Pfropfen ab, und der Geist stieg wie das vorigemal heraus, dehnte sich auseinander, und ward groß wie ein Riese. „Nun sollst du deinen Lohn haben“, sprach er, und reichte dem Schüler einen kleinen Lappen, ganz wie ein Pflaster, und sagte „wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst, so heilt sie: und wenn du mit dem andern Ende Stahl und Eisen bestreichst, so wird es in Silber verwandelt.“ „Das muss ich erst versuchen“, sprach der Schüler, ging an einen Baum, ritzte die Rinde mit seiner Axt und bestrich sie mit dem einen Ende des Pflasters: alsbald schloss sie sich wieder zusammen und war geheilt. „Nun, es hat seine Richtigkeit“, sprach er zum Geist, „jetzt können wir uns trennen.“ Der Geist dankte ihm für seine Erlösung, und der Schüler dankte dem Geist für sein Geschenk und ging zurück zu seinem Vater.
„Wo bist du herum gelaufen?“, sprach der Vater, „warum hast du die Arbeit vergessen? Ich habe es ja gleich gesagt dass du nichts zu Stande bringen würdest.“ „Gebt euch zufrieden, Vater, ich wills nachholen.“ „Ja, nachholen“, sprach der Vater zornig, „das hat keine Art.“ „Habt acht, Vater, den Baum da will ich gleich umhauen, dass er krachen soll.“ Da nahm er sein Pflaster, bestrich die Axt damit und tat einen gewaltigen Hieb: aber weil das Eisen in Silber verwandelt war, so legte sich die Schneide um. „Ei, Vater, seht einmal, was habt ihr mir für eine schlechte Axt gegeben, die ist ganz schief geworden.“ Da erschrack der Vater und sprach „ach, was hast du gemacht! Nun muss ich die Axt bezahlen und weiß nicht womit; das ist der Nutzen, den ich von deiner Arbeit habe.“ „Werdet nicht bös“, antwortete der Sohn, „die Axt will ich schon bezahlen.“ „O, du Dummbart,“ rief der Vater, „wovon willst du sie bezahlen? Du hast nichts als was ich dir gebe; das sind Studentenkniffe, die dir im Kopf stecken, aber vom Holzhacken hast du keinen Verstand.“
Über ein Weilchen sprach der Schüler „Vater, ich kann doch nichts mehr arbeiten, wir wollen lieber Feierabend machen.“ „Ei was“, antwortete er, „meinst du ich wollte die Hände in den Schoß legen wie du? Ich muss noch schaffen, du kannst dich aber heim packen.“ „Vater, ich bin zum erstenmal hier in dem Wald, ich weiß den Weg nicht allein, geht doch mit mir.“ Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ der Vater sich endlich bereden und ging mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn „geh und verkauf die verschändete Axt und sieh zu was du dafür kriegst; das übrige muss ich verdienen, um sie dem Nachbar zu bezahlen.“
Der Sohn nahm die Axt und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probierte sie, legte sie auf die Wage und sprach „sie ist vierhundert Taler wert, so viel habe ich nicht bar.“ Der Schüler sprach „gebt mir was ihr habt, das übrige will ich euch borgen.“ Der Goldschmied gab ihm dreihundert Taler und blieb einhundert schuldig. Darauf ging der Schüler heim und sprach „Vater, ich habe Geld, geht und fragt was der Nachbar für die Axt haben will.“ „Das weiß ich schon“, antwortete der Alte, „einen Taler, sechs Groschen.“ „So gebt ihm zwei Taler zwölf Groschen, das ist das Doppelte und ist genug; seht ihr, ich habe Geld im Überfluss“ und gab dem Vater einhundert Taler und sprach „es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.“ „Mein Gott“, sprach der Alte, „wie bist du zu dem Reichtum gekommen?“ Da erzählte er ihm wie alles zugegangen wäre und wie er
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