Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
komme und aus der Welt wolle. Der arme Gänshirt fragte ferners: wie man doch aus der Welt kommen könne? Der Tod sagte, dass man über das Wasser in die neue Welt müsse, welche jenseits gelegen. Der Hirt sagte, dass er dieses Lebens müde, und bat den Tod, er sollte ihn mit über nehmen. Der Tod sagte, dass es noch nicht Zeit sei.
Es war aber unferne davon ein Geizhals, der trachtete bei Nachts auf seinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut zusammenbringen mögte, den führte der Tod zu dem großen Wasser und stieß ihn hinein. Weil er aber nicht schwimmen konnte, ist er zu Grunde gesunken, bevor er an das Ufer kommen. Seine Hunde und Katzen, so ihm nachgelaufen, sind auch mit ihm ersoffen.
Etliche Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gänshirten, fand ihn fröhlich singen und sprach zu ihm: „willst du nun mit?“ Er war willig und kam mit seinen weißen Gänsen wohl hinüber, welche alle in weiße Schafe verwandelt worden. Der Gänshirt betrachtete das schöne Land und hörte, dass die Hirten der Orten zu Königen würden, und indem er sich recht umsahe, kamen ihm die Erzhirten Abraham, Isaac und Jacob entgegen, setzten ihm eine königliche Krone auf, und führten ihn in der Hirten Schloss, allda er noch zu finden.
Der singende Knochen
Es war einmal in einem Lande große Klage über ein Wildschwein, das den Bauern die Äcker umwühlte, das Vieh tötete und den Menschen mit seinen Hauern den Leib aufriss. Der König versprach einem jeden, der das Land von dieser Plage befreien würde, eine große Belohnung: aber das Tier war so groß und stark, dass sich niemand in die Nähe des Waldes wagte, worin es hauste. Endlich ließ der König bekannt machen, wer das Wildschwein einfange oder töte, solle seine einzige Tochter zur Gemahlin haben.
Nun lebten zwei Brüder in dem Lande, Söhne eines armen Mannes, die meldeten sich und wollten das Wagnis übernehmen. Der älteste, der listig und klug war, tat es aus Hochmut, der jüngste, der unschuldig und dumm war, aus gutem Herzen. Der König sagte „damit ihr desto sicherer das Tier findet, so sollt ihr von entgegengesetzten Seiten in den Wald gehen.“ Da ging der älteste von Abend und der jüngste von Morgen hinein. Und als der jüngste ein Weilchen gegangen war, so trat ein kleines Männlein zu ihm: das hielt einen schwarzen Spieß in der Hand und sprach „diesen Spieß gebe ich dir, weil dein Herz unschuldig und gut ist: damit kannst du getrost auf das wilde Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen.“ Er dankte dem Männlein, nahm den Spieß auf die Schulter und ging ohne Furcht weiter. Nicht lange so erblickte er das Tier, das auf ihn los rannte, er hielt ihm aber den Spieß entgegen, und in seiner blinden Wut rannte es so gewaltig hinein, dass ihm das Herz entzwei geschnitten ward. Da nahm er das Ungestüm auf die Schulter, ging heimwärts und wollte es dem Könige bringen.
Als er auf der andern Seite des Waldes heraus kam, stand da am Eingang ein Haus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten und hatte gedacht, das Schwein liefe ihm doch nicht fort, erst wollte er sich einen rechten Mut trinken. Als er nun den jüngsten erblickte, der mit seiner Beute beladen aus dem Wald kam, so ließ ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe. Er rief ihm zu „komm doch herein, lieber Bruder, ruhe dich aus und stärke dich mit einem Becher Wein.“ Der jüngste, der nichts Böses dahinter vermutete, ging hinein und erzählte ihm von dem guten Männlein, das ihm einen Spieß gegeben, womit er das Schwein getötet hätte. Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück, da gingen sie zusammen fort. Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen, ließ der älteste den jüngsten vorangehen, und als er mitten über dem Wasser war, gab er ihm von hinten einen Schlag, dass er tot hinabstürzte. Er begrub ihn unter der Brücke, nahm dann das Schwein und brachte es dem König mit dem Vorgeben er hätte es getötet; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin erhielt. Als der jüngste Bruder nicht wieder kommen wollte, sagte er „das Schwein wird ihm den Leib aufgerissen haben“, und das glaubte jedermann.
Weil aber vor Gott nichts verborgen bleibt, sollte auch diese schwarze Tat ans Licht kommen. Nach langen Jahren trieb ein Hirt einmal seine Herde über die Brücke und sah unten im Sande ein schneeweißes Knöchlein liegen und dachte, das gäbe ein gutes Mundstück. Da
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