Das Große Spiel
Monsieur? Mein System hat funktioniert. Ich habe es bewiesen. Wieso hätte ich mir heimlich im Ausland ein geheimes Gold- oder Silberlager anlegen sollen? Ich wollte immer in Frankreich bleiben, an Ihrer Seite, und Ihnen und der Krone dienen.« Verstört blickte John Law auf, suchte den Blick des Regenten, ein Zeichen, das an die alte Verbundenheit erinnerte.
Doch der Duc d'Orleans wandte den Kopf ab. Er musste wissen, dass er seinem Schotten Unrecht tat.
»Wenn Sie keinen Wunsch mehr haben«, sprach der Regent leise, »lasse ich Sie in Ihr Haus zurückbringen. Morgen verlassen Sie Paris. Alle notwendigen Papiere werden Ihnen bei der Abreise ausgehändigt.«
»Noch einmal in die Oper«, sagte John Law plötzlich, »ich möchte noch einmal mit meiner Familie die Oper besuchen. Morgen Abend. Und anschließend verlasse ich Paris für immer.«
»Der Wunsch sei Ihnen gewährt«, sagte der Regent mit bewegter Stimme. Und ohne ein weiteres Wort verließ er das Spielzimmer.
Zwei Wachen kamen herein und begleiteten John Law in den Hof. Dort wartete bereits d'Argensons Kutsche.
Alles, was Rang und Namen hatte, hörte sich am 12. Dezember 1720 Lullys »Thesee« an. John Law und seine Familie hatten eine der königlichen Logen erhalten. Man schaute hinauf, man tuschelte. Woher nahm dieser Schotte, den das Parlament hängen sehen wollte, den Mut, noch in die Oper zu gehen. John Law versteckte sich nicht. John Law nahm Abschied von einer Welt, an der er nie mehr teilhaben würde. Er hatte sich diesen letzten Abend in der Oper gewünscht, um Catherine und Kate den Neuanfang zu erleichtern. Wäre er heimlich Hals über Kopf aus Paris geflüchtet, wäre sie die zurückgelassene Frau eines Hasardeurs gewesen. So nahm er offiziell Abschied für eine vermeintliche Geschäftsreise ins Ausland, und Catherine würde weiterhin die Frau des großen John Law sein.
»Ich bedaure in dieser Stunde alles, was ich dir an Leid zugefügt habe«, flüsterte John Law mit tränenerstickter Stimme.
Catherine sah John an. »Sag mir ehrlich, hattest du auch mit Rebecca ...?«
»Nein«, antwortete John Law heftig, »ich hatte viele Affären, aber nicht mit Rebecca.«
Catherine nickte. Nach einer Weile sagte sie: »Ich war auch kein Engel, John. Vielleicht macht es dir den Abschied einfacher, wenn ich es dir heute sage. Ich war kein Engel.«
Die Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen. »Kümmere dich gut um unseren Sohn«, flüsterte sie und begann leise zu schluchzen.
»Ich verspreche es! Ich werde alles tun, damit das Schicksal uns wieder zusammenbringt.«
»Ich weiß, John«, sagte sie leise und drückte ihr verweintes Gesicht an seine Wangen.
»Der Ausschuss wird meine Unschuld beweisen!«, flüsterte John. Sie nickte kurz und ließ sich erschöpft in John Laws Arme sinken.
»Erwähne niemandem gegenüber, was du über den Regenten weißt. Er würde dich dafür vernichten.«
Catherine wischte sich die Augen und richtete sich wieder auf. »Kann die Welt denn so schlecht sein?«, flüsterte Catherine. »Sind wir nicht schon genug gepeinigt mit Leid und Sorgen, mit Krankheit und Tod? Müssen die Menschen sich auch noch gegenseitig Leid zufügen?«
»Ja, deshalb hat er sich die Erde Untertan gemacht. Der Mensch ist schlecht, sein Gott ist schlecht. Aber ich liebe dich, Catherine. Egal, wo ich hingehe, du wirst überall sein, ich werde nachts deinen Namen flüstern, deine Wärme spüren, deine Gedanken erraten, und wenn mich die Sehnsucht nach dir zerreißt, werde ich zu dir sprechen.«
»Und ich werde dich hören, John, wo immer du sein magst. Du bist ein Teil von mir, John Law of Lauriston.«
»Auf immer.«
Noch bevor die Oper zu Ende war, stand John Law auf. Ein letztes Mal drückte er Kate an seine Brust, Catherine, seine große Liebe. Kate verabschiedete sich von ihrem Bruder, umarmte ihn fest, hielt ihn lange umschlungen. Dann nahm der junge John Abschied von Madame, ließ sich ein letztes Mal an ihre Brust drücken. Schließlich verließen die beiden Männer die Loge.
Kapitel XV
John Law fuhr im Dezember 1720 mit seinem fünfzehnjährigen Sohn, drei Kammerdienern und einem Dutzend berittener Soldaten durch das verschneite Frankreich in Richtung Marseille. Er wollte mit dem Schiff nach Genua übersetzen. Doch Marseille war mit einem Militärkordon vor der Außenwelt abgeschnitten. Ein Schiff hatte die Pest nach Europa gebracht. Die Pest! Die Dienerschaft quittierte darauf den Dienst und floh zurück nach
Weitere Kostenlose Bücher