Das Große Spiel
Schlund. John Law drehte sich um. Der Gondoliere war verschwunden. Er konnte auch keine Umrisse mehr erkennen, keine Häuser, keine Kanäle, nur eine unendliche schwarze Tiefe. Wahrscheinlich ging man den letzten Weg immer allein, dachte John Law. Er dachte sich weiter nichts dabei. Es war in Ordnung so ...
Epilog
John Law starb am 21. März 1729 kurz vor Vollendung seines achtundfünfzigsten Lebensjahres während des Karnevals in Venedig. Bis zuletzt glaubten seine Gegner, dass er im Ausland einen millionenschweren Silberschatz gehortet habe.
Nach seinem Tod wurden die Untersuchungen gegen ihn endgültig eingestellt, und John Law wurde posthum von jedem Verdacht freigesprochen.
Sein Sohn kehrte mit dem Testament nach Paris zurück. William Law, John Laws Bruder, wurde aus der Bastille entlassen. Er focht das Testament an mit der Begründung, dass John und Catherine nicht verheiratet gewesen seien, womit weder Catherine noch die gemeinsamen, unehelichen Kinder Kate und John die rechtmäßigen Erben sein könnten. Das Gericht gab William Recht, setzte aber nicht den Kläger William als Erben ein, sondern dessen Kinder.
Catherine zog mit ihrem Sohn John nach Utrecht. Das Schiff, das John Laws Gemäldesammlung von Venedig nach Amsterdam bringen sollte, geriet in Seenot. Die Gemälde wurden dabei stark beschädigt.
John junior kaufte sich ein Offizierspatent, diente dann im österreichischen Dragonerregiment und starb fünf Jahre später an den Blattern.
Vom Schicksal gezeichnet, zog sich Catherine ins Kloster zurück. Sie starb hochbetagt im Jahre 1747. Sie teilte Montesquieus Auffassung, wonach man die Menschen nicht bei ihrem Tod, sondern bei ihrer Geburt betrauern sollte.
Ihre Tochter Kate zog nach London, heiratete Lord Wallingford und führte ein luxuriöses und glückliches Leben als berühmte und beliebte Dame der Londoner Gesellschaft.
Die Gemäldesammlung, die sich John Law in Venedig angelegt hat, wäre heute Milliarden wert. Sie umfasste Werke von Tizian, Raffael,Tintoretto,Veronese, Paolo, Holbein, Michelangelo, Poussin, Leonardo da Vinci, Rubens, Canaletto, Gianantonio Guardi, Giovanni Antonio Pellegrini, Marco Ricci, Giambattista Tiepolo, van Dyck und Rosalba Carriera, die auch John Laws Tochter Kate porträtiert hatte. Siebenundsiebzig Gemälde aus John Laws Kollektion wurden am 16. Februar 1782 durch das Auktionshaus Christie's versteigert.
John Law wurde in der venezianischen Kirche San Gimignano an der Piazza San Marco bestattet. Fast hundert Jahre später stand Venedig unter napoleonischer Herrschaft. Als die Kirche abgerissen werden sollte, verfügte der damalige französische Statthalter Venedigs, Alexander Law - ein Großneffe unseres John Law -, die Verlegung der Gebeine in die nahe gelegene Kirche San Moise. Dort liegt John Law heute noch begraben.
Nachwort
John Law gehört zu den bedeutendsten Geldtheoretikern aller Zeiten. Die Finanzwelt beruht noch heute auf dem Law'schen System, auch wenn wir in den modernen Demokratien ausgereiftere und verfeinerte Kontroll- und Lenkungsmechanismen eingebaut haben, die verheerende Instabilitäten einschränken. Während John Law bereits Ende des siebzehnten Jahrhunderts die Notwendigkeit erkannte, die Metalldeckung der neu eingeführten Banknoten fallen zu lassen, verabschiedete sich die amerikanische Regierung (und mit ihr die übrige Welt) erst im Jahr 1971 von der Vorstellung, eine Währung mit physischem Gold abdecken zu müssen. Zahlreiche derivate Produkte wie Futures oder Optionsscheine wurden bereits vor John Law erfunden und eingeführt.
Mit dem Mississippi-Boom zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts wurden zum ersten Mal soziale Schranken überwunden: Der über Nacht zum Millionär gewordene Kutscher erwarb beim Trödler die eleganten Kleider des verarmten Landadels, und die zur Millionärin gewordene Kammerzofe leistete sich Diamantcolliers und drängte selbstbewusst in die obere Gesellschaft. Die Mississippi-Euphorie gab - vorübergehend - jedem Menschen, unabhängig von seinem Stand, die theoretische Möglichkeit, Millionär zu werden. In der Rue Quincampoix herrschte - vorübergehend - jene egalite, die sich Jahrzehnte später die Französische Revolution auf die Fahnen schreiben sollte und die noch heute das Wesen aller demokratischen Staaten ausmacht.
John Law war nachweislich ein Idealist, der mit dem Rohstoff Geld die Welt und die Lebensbedingungen der Menschen verbessern wollte. Selbst Montesquieu, der John
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