Das große Zeitabenteuer
schlief leidlich gut in dem alten Bett, und Nudelsuppe und Sardinen waren nahrhaft, auch wenn sie nach einiger Zeit langweilig schmeckten. Das Zimmer war düster, aber es regnete wenigstens nicht herein, und die alte Zentralheizung hielt den Raum bei kaltem Wetter einigermaßen wann. Die Einrichtung war nicht gerade luxuriös, aber zweckmäßig und ausreichend; zu ihr gehörten natürlich das Bett, der Tisch aus einer Orangenkiste, die Kommode und der ovale Bettvorleger, den Miß Flinders aus der Bücherei ihm geschenkt hatte.
Und, o ja, der große abgeschlossene Schrank in der Ecke, den er bisher noch nie geöffnet hatte. Aber das konnte er jetzt nachholen. Er wußte, daß der Schrank etwas Wunderbares enthielt; ihm war jedoch entfallen, was es war. Aber wo lag nur der Schlüssel? Ah, richtig…
O'Leary durchquerte das Zimmer und trat in den Einbaukleiderschrank, in dem es noch dunkler war. Dort kletterte er auf eine große Kiste, drückte die Falltür an der Decke auf, schwang sich hindurch und stand auf einem Dachboden. In einer Ecke waren mehrere alte Koffer aufgestapelt; Lafayette stellte fest, daß sie alle verschlossen waren.
Er erinnerte sich an die Schlüssel. Deswegen war er hier. Sie hingen an dem Nagel hinter der Tür. Er nahm sie an sich und wollte durch die Falltür nach unten klettern.
Aber warum benützte er nicht gleich die Treppe? Draußen im Flur glänzte ein weißlackiertes Treppengeländer. Er ging einen Stock tiefer und betrat sein Zimmer. Die Fenster standen offen, und eine leichte Brise bewegte die frischgewaschenen Vorhänge. Draußen erstreckte sich eine weite Rasenfläche mit schönen Bäumen.
Aber er mußte den Schrank aufschließen, um zu sehen, was sich darin befand. Er wählte den größten Schlüssel aus – zu groß. Der nächste ebenfalls. Auch der dritte paßte nicht. Er probierte nacheinander sämtliche Schlüssel durch, ohne einen passenden zu finden. Aber er mußte den Schrank irgendwie aufbekommen, denn er enthielt alle möglichen Schätze, die nur auf ihn warteten. Er versuchte es mit einem anderen Schlüssel, drehte ihn vorsichtig … und hörte ein leises Klick!
Lautes Klopfen durchbrach die Stille. Die Schranktür verblaßte; nur das Schlüsselloch war noch zu sehen. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren…
»Mister O'Leary, öffnen Sie augenblicklich die Tür!« Mrs. MacGlints Stimme zerschnitt seinen Traum wie eine Kreissäge. Lafayette richtete sich langsam auf und hörte ein Summen im Kopf.
Die Tür zitterte in den Angeln. »Machen Sie sofort auf, hören Sie?« Lafayette nahm undeutlich Stimmen und Schritte von nebenan wahr. Er schaltete die Deckenlampe ein, ging zur Tür und riß sie auf. Vor ihm stand Mrs. MacGlint wie eine Rachegöttin.
»Ich habe flüsternde Stimmen gehört und bin neugierig geworden«, verkündete sie mit schriller Stimme. »Hier drin in der Dunkelheit. Dann haben die Bettfedern gequietscht, und schließlich ist alles wieder ruhig gewesen!« Sie warf einen prüfenden Blick ins Zimmer.
»Schön, wo ist sie versteckt?« Hinter ihr lauerten Spender und Mrs. Potts, die einen Morgenrock und Lockenwickler trug, beide schienen die Aufregung zu genießen.
»Wer ist wo versteckt?« fragte Lafayette erstaunt, als die Vermieterin ihm den Ellbogen in die Rippen stieß. Sie drängte sich an ihm vorbei, bückte sich, um unter das Bett zu sehen, richtete sich auf und riß den Vorhang der Kochnische zur Seite. Dann sah sie anklagend zu O'Leary hinüber und watschelte ans Fenster.
»Muß irgendwie dort draußen verschwunden sein«, stellte sie schweratmend fest. »Sind Sie immer so schnell, Mister O'Leary?«
»Laff, hast du ein Mädchen hier gehabt?« wollte Spender wissen.
»Ein Mädchen?« Lafayette schüttelte den Kopf. »Nein, hier ist kein Mädchen.«
»Na!« Mrs. MacGlint sah sich nochmals um und schob angriffslustig das Kinn vor. »Jeder wäre auf die gleiche Idee gekommen«, behauptete sie. »Niemand kann mir deswegen etwas vorwerfen …«
Mrs. Pott zog sich schnüffelnd zurück. Spender verließ grinsend das Zimmer. Mrs. MacGlint drängte sich an Lafayette vorbei, ohne ihm ins Gesicht zu sehen.
»Anständiges Haus«, murmelte sie. »Sitzt hier in der Dunkelheit, spricht mit sich, allein …«
O'Leary schloß die Tür hinter ihr und fühlte sich betrogen, weil er keine Zeit gehabt hatte, den geheimnisvollen Schrank zu öffnen. Das Rezept des Professors hatte nicht sehr viel geholfen, aber er hatte recht eindrucksvoll geträumt. Wäre
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