das gutenberg-komplott
schaute Thomas herausfo r dernd an. »Steininger sagte, Ihr stammt aus Italien.«
»Ich bin in Palermo geboren.«
»Eure Eltern sind Italiener?«
»Nur meine Mutter.«
»Was macht Euer Vater?«
»Er ist Kaufmann.«
»Und sein Sohn wollte nicht in seine Fußstapfen treten?!«
»Ich möchte meinen eigenen Weg gehen«, sagte Thomas.
Er hatte keine Erfahrung darin, bei Hof zu erscheinen. Zu Hause in Köln waren die Umgangsformen leger. Zum ersten Mal in seinem Leben stand er vor einem Fürsten. Er hatte das Gefühl, dass Erbach ihn nicht mochte.
»Weshalb möchtet Ihr Richter werden?«, fragte Erbach.
»Mein Vater hat den größten Teil seines Lebens auf Reisen verbracht«, sagte Thomas. »Er ist einige Male nur knapp mit dem Leben davongekommen. Ein solcher Beruf liegt mir nicht.«
Erbachs Kopf hatte die Farbe gewechselt. Das ist rosa, dac h te Thomas, der in seiner freien Zeit gern malte. Ein ganz eige n artiges Rosa.
»Kein Grund,. Jurist zu werden«, sagte Erbach. »Das Amt bringt Verantwortung mit sich und extreme Belastungen!«
Die Aussicht, in Italien zu studieren, war für Thomas’ B e rufswahl ausschlaggebend gewesen. Aber das würde den Ku r fürsten nicht interessieren. »Ich habe viele Jahre studiert und freue mich darauf, Verantwortung zu übernehmen«, log Th o mas.
Der Fürst wandte sich an seinen Schreiber, der ihm wortlos einen Pergamentbogen reichte. Erbach kniff die Augen zusa m men und überflog das Dokument. »In Bologna studiert«, mu r melte er. »Man sagt, dies sei die bedeutendste Rechtsschule im Abendland. Ich persönlich halte wenig vom römischen Recht. Wir haben unsere eigenen Traditionen, und die wollen wir pfl e gen.«
Etwas Ähnliches hatte Thomas befürchtet. So langsam kam der Bischof zur Sache.
»Vergesst die graue Theorie«, fuhr Erbach fort, »die man Euch in Italien eingetrichtert hat. Was in Büchern steht und was im tatsächlichen Leben geschieht, sind zwei Paar Schuhe. Im Alltag ist Härte gefragt und Strenge!«
Thomas wurde klar, dass der Bischof selbst ihn nie eing e stellt hätte. Thomas schaute zur Seite, wo der Freund seines V a ters stand. Steininger konnte mit dem Verlauf des Gesprächs nicht zufrieden sein. Wenn Thomas scheiterte, würde das auch seinem Ansehen beim Bischof schaden.
»Euer Vorgänger war ein exzellenter Mann«, nahm Dietrich den Faden wieder auf. »Zwischen uns bestand Einigkeit in allen Grundsatzfragen. Ich möchte gern mehr über Euer Rechtsve r ständnis erfahren. Nach welchen Grundsätzen wollt Ihr das Amt ausüben?«
Nachdem der Kurfürst gesagt hatte, was er vom römischen Recht hielt, war die Frage mehr als heikel. Zwischen Thomas’ Rechtsvorstellungen und denen des Kurfürsten gab es wenig Gemeinsamkeit. Steininger hatte ihn schlecht vorbereitet. Er ist alt geworden, dachte Thomas. Er hat so viele Falten bekommen. Thomas spürte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Er b e mühte sich, die Frage des Kurfürsten diplomatisch zu beantwo r ten. »Wenn die bisherigen Rechtsbräuche vernünftig sind«, sa g te er, »werde ich sie fortführen.«
»Die Situation ist angespannt«, erwiderte Erbach, »und e r laubt keine Experimente. Sicher hat Euch Steininger über alles informiert.«
Hatte er nicht! Thomas’ Verärgerung wuchs. Steininger e r griff das Wort, um die Situation zu retten. »Er sollte auch aus Eurem Mund hören, was ihn erwartet!«
Der Schreiber hatte den Kopf gehoben und musterte Thomas kritisch, der sich fragte, in was für eine Geschichte er hineing e raten war. Und woran erinnerte ihn dieses Rosa?
»In Mainz findet zurzeit ein Kampf statt zwischen dem Stadtrat und mir. Er will Rechte an sich reißen, die mir geh ö ren.« Der Bischof sprach jetzt ruhig und überlegt. »Im Stadtrat her r schen die Zunftmeister. In einem blutigen Kampf haben sie das Patriziat besiegt. Aber sie haben durch Arroganz und Misswirtschaft die Finanzen der Stadt ruiniert. Die Zinszahlu n gen fre s sen die Steuereinnahmen. Ich habe die Situation genutzt und die bischöfliche Macht gestärkt. Auch Eure Stelle war u m kämpft.«
Das klang nach einem schleichenden Krieg zwischen zwei Lagern, die sich nicht versöhnen würden. Thomas wusste aus Köln, dass das Verhältnis zwischen dem Erzbischof und den Bürgern oft problematisch war. Aber was er nun hörte, hatte eine andere Dimension, und er war fremd hier, kannte die Stru k turen und Verhältnisse nicht. Lief es darauf hinaus, dass er zwischen die Fronten geriet?
»Das strenge Gericht
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