das gutenberg-komplott
Liebfrauenkirche g e nannt. Und gegenüber: Das ist die Herberge zum Spiegel.« Dort betr a ten ein Mann und eine Frau gerade die Gaststube, aus der Stimmengewirr schlug. Die Leute saßen an schweren Hol z tischen beim Essen und tranken Bier.
Sie näherten sich der Stadtmauer, beim Hafen gelegen. Der Wehrturm, auf den sie zusteuerten, hieß laut Steininger die »Fischpforte«. Thomas erinnerte sich an seinen ersten Eindruck von Mainz, den er vom Fluss aus bekommen hatte: die unzähl i gen Türme. Sie unterbrachen in kurzen Abständen die Stad t mauer; und der Stadtkern wirkte vom Rhein aus wie eine einz i ge Ansammlung von Kirchen und Klöstern mit Türmen jeder Größe. Sie bogen nach links ab und folgten einer Gasse parallel zur Befestigung.
»Das Heilig-Geist-Spital«, sagte Steininger, auf einen Stei n bau mit imposantem Giebel weisend. »Darauf sind wir beso n ders stolz. Hier werden die Kranken und Siechen gepflegt. Wir übe r lassen sie nicht ihrem Schicksal, wie das in anderen Städten g e schieht.«
Im Schutz der Mauer war der Wind erträglicher und auch der Regen prasselte nicht so ungeschützt auf sie ein. Bald da r auf erreichten sie ihr Ziel, den »Eisenturm«, in dem die W a che untergebracht war. Über einem weit geschwungenen To r bogen zählte Thomas fünf Geschosse. Man hatte die Auße n wände weiß gestrichen, nur die Umrandungen der Fenster und die Ecken der Wände rot. Steininger öffnete die Tür zur W a che. Der mit einer gewölbten Decke versehene Innenraum war ebenfalls weiß getüncht. An einer Wand sah Thomas einen überleben s großen Ritter in voller Rüstung mit Helmbusch, Schwert und Schild abgebildet, neben ihm das Mainzer Wa p pen.
Sie hatten den Raum kaum betreten, als sich Thomas und seinem Begleiter ein überraschender Anblick bot: Ein Mann in Uniform ging drohend auf einen kleineren Mann zu, den Kopf angriffslustig nach vorne geschoben wie ein Kampfhahn.
»Ihr habt sie laufen lassen. Ich sehe es deinem Gesicht an!«, schrie der Uniformierte. Sein Kopf war so rot wie der des Für s ten vorhin im Audienzsaal.
Der kleine Mann, der offenbar zur Wachmannschaft gehörte, wurde blass und wich zurück. »Wir hatten keine Chance«, sto t terte er. »Sie waren längst weg. Jemand muss sie gewarnt h a ben.«
»Erzähl mir keine Märchen. Wer soll sie gewarnt haben? Wie viele Gelegenheiten wollt ihr euch noch entgehen lassen?«
Der Wachmann schrumpfte weiter zusammen. »Das Feuer war noch nicht kalt. Eine Stunde früher, und wir hätten sie e r wischt. Es war Pech!«
»Pech?!« Der Kommandant blickte seinem Untergebenen aus kürzester Entfernung in die Augen. »Dummheit war das!« Nachdem er die letzten Sätze leiser gesprochen hatte, fing er wieder an zu schreien. »Das sind höchstens fünf Leute, die seit Wochen die Gegend terrorisieren, und ich habe euch zu zehnt losgeschickt. Ihr seid unfähig! Selbst mit meinem kaputten Bein wäre ich schneller gewesen!«
Steininger klopfte an die bereits geöffnete Tür, und der Kommandant blickte zur Seite. Er ließ von seinem Wachmann ab, dem die Unterbrechung sehr gelegen kam.
»Steininger«, sagte er. »Ich habe es nur mit Idioten zu tun. Sie haben die Bande laufen lassen. Ich möchte ihnen allen den Hals umdrehen.«
»Der Bischof tobt wegen der Geschichte«, sagte Steininger, »weil sie seine Autorität untergräbt. – Aber ich möchte Euch einen Mann vorstellen, mit dem Ihr in Zukunft viel zu tun h a ben werdet.« Steininger zeigte auf Thomas. »Das ist unser ne u er Richter: Thomas Berger.«
Der Kommandant blickte Thomas mit seinen großen, hellbla u en Augen an und sagte eine Weile nichts. Schließlich strec k te er zögerlich die Hand aus. »Ich heiße Busch. Busch wie Baum.«
Thomas liebte solche Sprüche. Sie gaben sich die Hand.
»Ist das Eure erste Richterstelle?«, fragte Busch.
»Ich habe längere Zeit in Köln am Gericht gearbeitet …«
»Als oberster Richter?«
Thomas kopierte Buschs Lächeln. »Als sein engster Mita r beiter.«
Er machte sich keine Illusionen. Es war die gleiche Reaktion wie vorhin beim Kurfürsten. Man traute ihm nichts zu. Es war ungerecht, er spürte Wut in sich aufsteigen. Aber er musste schlau sein, behutsam vorgehen und mit Menschen wie Busch auskommen.
»Busch!«, sagte Steininger und hielt dem Kommandanten seinen Zeigefinger vors Gesicht. »Ich möchte, dass Ihr und Be r ger gut zusammenarbeitet. Er hat in Bologna studiert. Helft ihm, wo Ihr könnt. Gerade in den ersten Wochen wird Eure
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