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Das Hades Labyrinth (German Edition)

Das Hades Labyrinth (German Edition)

Titel: Das Hades Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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Zeitungen Fotos von Daniel Fischer gesehen, die vor den grausamen Ereignissen aufgenommen worden waren. Sie hatte die Bilder betrachtet und sich darauf gefreut, ihn kennen zu lernen. Damals hatte sie sich seine Verunstaltungen nicht vorstellen können. In den Berichten war zwar von schweren Verletzungen die Rede gewesen, aber sie hatte nicht geahnt, dass diese Verletzungen auch sein markantes Aussehen betrafen. Daniel Fischers Gesicht war zerstört. Es war auf eine Art und Weise zerstört, die Jessica kaum begreifen konnte. Augen, Nase, Ohren und Mund waren vorhanden, aber nichts schien mehr zusammenzupassen und die Narbenstränge, die über sein Gesicht liefen, taten ein Übriges, um ein Aussehen zu erschaffen, an das nicht einmal Robert De Niros Maske in Mary Shellys Frankenstein heranreichte.
    Wie muss er sich fühlen, wenn ihn die Leute anstarren?, fragte sie sich. Und dann spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    „Weinen Sie wegen mir?“, fragte Daniel.
    „Ich weine um Sie. Ich weine über das Schlimme, das Ihnen widerfahren ist.“
    „Das müssen Sie nicht“, sagte er leise.
    Seine Hand übte sanften Druck aus. Sie erwiderte diesen Druck und strich mit den Fingern ihrer anderen Hand zart über seine.
    „Es ist kein Mitleid“, erklärte sie. „Nicht im Sinne des Wortes, wie es heutzutage verwendet wird, aber ich leide ein wenig mit Ihnen.“
     
     
    Daniel antwortete nicht. Er sah in die Ferne, ohne etwas zu sehen und tat er etwas, das ihn selbst überraschte. Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie leicht auf die Wange. Sie sah ihn an. Eindringlich.
    „Für was war der?“, fragte sie.
    „Dafür, dass Sie noch den Menschen in mir erkennen.“
    Jessica erhob sich langsam. Ihre glänzenden Augen waren Sonnen, die auf Daniel herableuchteten.
    „Ich muss jetzt gehen“, sagte sie ruhig.
    „Habe ich etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen?“, fragte Daniel verirrt über ihren abrupten Aufbruch.
    „Nein, aber ich bin verwirrt.“ Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. „Und ich bin viel zu oft verwirrt.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Sie würden es wahrscheinlich nicht verstehen.“
    „Es kommt auf den Versuch an.“
    „Ein anderes Mal vielleicht. Danke für das Bier.“
    Als sie sich umwandte um zu gehen, sagte Daniel: „Können wir uns bald einmal wieder unterhalten?“
    Jessica drehte sich zu ihm um. Ihr Blick drang bis auf den Grund seiner Seele.
    Sie sagte nur ein Wort: „Ja.“
    Dann ging sie.
     
     
    Daniel rieb sich die Augen. Seine Lider waren schwer, wollten sich zum erholenden Schlaf schließen, aber er zwang sich wachzubleiben. Aus einem Glas neben der Tastatur trank er einen Schluck Wasser.
    Was haben die Behörden bei ihrer Suche nach Adam übersehen?, fragte er sich stumm, wie schon unzählige Male zuvor.
    Er wusste, dass die Polizei sämtliche Datenbanken der Einwohnermeldeämter aus Lichtenfels und Umgebung durchgegangen war. Siebenundvierzig Personen im Alter von achtzehn bis fünfundvierzig Jahren mit dem Vornamen Adam hatten die Computer ausgespuckt, aber der Gesuchte war nicht dabei gewesen. Viel hatte man sich nicht von dieser Suche erhofft, da die Polizei davon ausging, dass „Adam“ nur ein angenommener Name war, mit dem sich ein Verrückter schmückte, um seiner Mission gerecht zu werden.
    Ich bin Adam, hatte er gesagt. Der erste Mensch und ich bin Gott. Hier bin ich Gott! Ich bin das Licht und das Wort.
    Größenwahnsinnige Phantasien eines Verrückten, der wie ein Tier unter der Erde hauste.
    Nach der Pleite mit dem Namen hatte sich die Polizei darauf konzentriert, die Person zu finden, die Adam am ganzen Körper tätowiert hatte. Phantomzeichner hatte auf Daniels Beschreibung hin Zeichnungen angefertigt, die man in der Presse und in verschiedenen Internetforen, die sich mit Tattookunst beschäftigten, veröffentlichte. Das Ergebnis war das Gleiche geblieben. Adam war ein Geist ohne Identität. Niemand kannte ihn oder hatte ihn je gesehen.
    Denk nach, flüsterte Daniel leise. Was weißt du noch?
    Vor seinem inneren Auge entstand erneut Adams Bild. Vergiss die ungewöhnliche Körpergröße, vergiss die verrückten Tätowierungen. Was siehst du?
    Ich sehe vernarbte Augenlider. Rissige Fingerkuppen. Eine deformierte Nase und zerfetzte Ohren.
    Was bedeutet das?
    Hatte Adam einen Unfall gehabt? Waren diese Symptome bildliche Zeugen seines Lebens unter der Erde?
    Bei dem Wort „Symptome“ befiel Daniel eine eigenartige Erregung. Symptome!

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