Das Halsband der Königin
Cagliostro war grausam genug, sie zappeln zu lassen wie einen armen kleinen Fisch an der Angel.
Schließlich beendete er ihre hilfl osen Ausreden, indem er ihr auf den Kopf zu sagte, daß es in diesem Hause gar keinen Pförtner gab, daß sie einen Nachschlüssel benutzt hatte, den er ihr aus der Tasche zog, und daß sie in Wahrheit die Frau suche, die er aus Güte hier verborgen habe.
»Und wenn dem so wäre?« entgegnete Jeanne leise. »Wäre das ein Verbrechen? Ist es einer Frau nicht erlaubt, eine andere zu be-suchen? Rufen Sie sie doch, damit sie Ihnen bestätigen kann, daß unsere Freundschaft das Licht nicht zu scheuen braucht.«
»Madame, Sie sagen das, weil Sie genau wissen, daß sie nicht mehr hier ist«, erwiderte Cagliostro.
»Wie? Sie ist nicht mehr hier?«
»Sie selbst haben an ihrer Entführung mitgewirkt.«
»Ich? An ihrer Entführung?«
Cagliostro nahm ein Blatt vom Tisch und zeigte es der Gräfi n.
»Hier ist der Beweis«, sagte er.
Und Jeanne las:
»Mein edler Herr Beschützer, verzeihen Sie mir, daß ich Sie verlasse. Ich liebe Beausire, wie Sie wissen. Er holt mich ab, und ich folge ihm. Leben Sie wohl und empfangen Sie meine gro-
ße Dankbarkeit.«
»Beausire!« rief Jeanne verblüfft. »Er kannte doch ihre Adresse gar nicht!«
»Doch, Madame«, sagte Cagliostro, »dieses Papier fand ich auf der Treppe; es wird Herrn Beausire aus der Tasche gefallen sein.«
Dieses Billett lautete:
»Herr Beausire fi ndet Fräulein Oliva in der Rue Saint-Claude an der Ecke des Boulevards. Er möge sie sofort mit sich nehmen.
Diesen Rat erteilt ihm eine aufrichtige Freundin. Es eilt!«
»Ja, und nun hat er sie mitgenommen«, sagte Cagliostro ruhig.
»Und wer hat diese Zeilen geschrieben?« fragte Jeanne.
»Offenbar Sie, die aufrichtige Freundin.« Cagliostro lächelte undurchdringlich.
Jeanne gab sich durch eine Übermacht geschlagen und fl oh. Ihr fein gesponnenes Netz hatte den ersten Riß bekommen.
Der Brief und die Quittung
Unterdessen war der Tag heran, an dem die Zahlung fällig war, die das Schreiben der Königin den Juwelieren Boehmer & Bossange versprochen hatte. Da Ihre Majestät sich strengste Diskretion aus-bedungen hatte, warteten die Kaufl eute den ganzen Tag geduldig, daß man ihnen das Geld ins Haus brächte. Aber die Quittung über fünfhunderttausend Francs, die sie für diesen Fall bereit-hielten, blieb unbenutzt.
Die Morgenröte des folgenden Tages befreite Boehmer & Bossange von ihren schimärischen Hoffnungen. Sie fuhren nach Versailles; Bossange sollte Boehmer im Wagen erwarten. Es war kein leichtes, ohne Audienzbrief vorgelassen zu werden. Aber Boehmer kannte die Bräuche und verteilte in den Vorzimmern Kleinigkeiten, was ihm die Erlaubnis eintrug, um zwei Uhr vor der Königin zu erscheinen.
Marie-Antoinette konnte sich nicht erklären, was Boehmer von ihr wollte.
»Wollen Sie mir wieder Juwelen anbieten?« fragte sie lächelnd den Kaufmann. »Sie wissen doch, ich habe kein Geld.«
Boehmer schwitzte. Er glaubte, es sei jemand hinter den Vorhängen verborgen und Ihre Majestät wage deshalb nicht, offen zu sprechen. Betreten blickte er sich nach allen Seiten um.
»Was suchen Sie denn nur?« fragte ihn die Königin verwundert. »Gibt es schon wieder Geheimnisse? Schon wieder irgendein unvergleichliches Stück? Fürchten Sie sich doch nicht, niemand kann uns hören, mein lieber Herr Boehmer.«
»Wenn dem so ist«, hob Boehmer ermutigt an, »dann möch-te ich mir zu bemerken erlauben, daß Eure Majestät uns gestern vergessen haben.«
»Vergessen? Wieso denn?«
»Insofern, als gestern der Termin …«
»Was für ein Termin?«
»Ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, daß ich … Ich weiß wohl, daß es eine Unbescheidenheit ist, und vielleicht ist die Königin nicht vorbereitet. Das wäre ein großes Unglück, aber schließlich …«
»Boehmer, ich begreife von alledem kein Wort. Erklären Sie sich deutlicher.«
»Nun, Eure Majestät haben vergessen, daß gestern die erste Rate für das Halsband fällig war«, kam Boehmer endlich schüchtern heraus.
Marie-Antoinette begriff noch immer nicht, Boehmer erklärte den Fall; Marie-Antoinette geriet außer sich, und Boehmer schlot-terte, blieb aber fest bei seiner Behauptung. Marie-Antoinette wies ihren Empfangsschein vor, Boehmer leugnete, diese Quittung ausgestellt und unterzeichnet zu haben. Er präsentierte seinerseits das Schriftstück Ihrer Majestät. Marie-Antoinette las es.
»Das ist nicht meine Schrift!«
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