Das Halsband der Königin
rechtfertigen könnten.«
»Sie sollten auf Ihre Güter zurückkehren, Herr de Charny, oder gehen Sie auf eins der Schiffe Ihres Onkels und suchen Sie anders-wo, was Sie in meiner Nähe nie mehr fi nden werden: Hoffnung und Glück. Gehen Sie, die Gefahr ist ernst. Ihnen droht Ruin, Verleumdung und Kerker.«
»Nein, ich will bleiben und Sie verteidigen, wo und wie ich kann. Sie haben mir meine Zweifel vorgeworfen, Madame, vergeben Sie mir und zerschmettern Sie mich jetzt nicht, indem Sie an meiner Treue zweifeln. Schicken Sie Ihren Diener nicht fort, der Sie verehrt, der trotz allem an Sie glaubt und der Ihnen seine Liebe bis zum Tode treu beweisen wird.«
Marie-Antoinette löste sich aus ihrer Starre. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Ist das wahr, Olivier? Findet die verfl uchte, verlorene Königin, die Frau, über die man zu Gericht sitzen wird, die von der öffentlichen Meinung bereits verurteilt ist und die von ihrem Gatten wahrscheinlich verjagt werden wird, noch ein Herz, das sie liebt?«
Charny fi el vor Marie-Antoinette nieder und küßte inbrünstig die Füße der Königin.
In dem Augenblick öffnete sich die Tür, und der König, wie vom Blitz getroffen, verharrte auf der Schwelle.
Charny erhob sich langsam und verneigte sich ehrfurchtsvoll.
»Herr de Charny«, sagte Ludwig mit unheimlicher Selbstbe-herrschung, »es ist für einen Edelmann wenig ehrenvoll, bei einem Diebstahl ertappt zu werden.«
»Diebstahl?« wiederholte die Königin, und sie glaubte, die furchtbaren Anschuldigungen, das Halsband betreffend, würden nun auch diesen Unschuldigen besudeln.
»Diebstahl, jawohl«, sagte Ludwig, von den Berichten seines Bruders vollends verstört, »vor der Frau eines anderen zu knien ist ein Diebstahl; und ist diese Frau die Königin, nennt man diesen Diebstahl ein Majestätsverbrechen. Die Bastille erwartet Sie, mein Herr.«
»Sire«, entgegnete Marie-Antoinette, »Sie hegen wie mir scheint, schlimmen Argwohn und böse Vermutungen. Überlassen Sie sich ihnen nicht, sonst sind wir verloren. Ich kenne das Herz des Herrn de Charny und werde nicht dulden, daß man ihn anklagt, ohne daß ich ihn verteidigte.«
»Wollen Sie leugnen, Madame, daß der Graf sich soeben in einer recht unüblichen Haltung vor Ihnen befand? Um niederzuknien, muß man …«
»Muß man ein Untertan sein«, schnitt Marie-Antoinette dem König das Wort ab, »der um eine Gnade bittet, die ich nicht bewilligen konnte.«
»Eine Gnade?« fragte der König, unsicher geworden.
Und die Königin, einmal auf dem Weg, ihren teuersten Freund und ihre eigene Ehre zu verteidigen, erfand die rettende Geschichte, daß Charny Andrée de Taverney liebe und zu heiraten wünsche, daß sein Wunsch aber unmöglich sei, da Andrée ins Kloster gegangen war.
Der König fühlte sich besser. Vielleicht habe Fräulein von Taverney die Gelübde noch nicht abgelegt, sagte er, die Königin möge das erkunden lassen und Charny zu seinem Lebensglück verhelfen.
Charny küßte der Königin stumm die Hand, und als er auf-stand, um zu gehen, las er in ihren Augen den heißen Schmerz über diesen Abschied für immer.
Inzwischen wurde Prinz Louis, Großalmosenier des Reiches, Seine Eminenz der Kardinal von Rohan, bereits im priesterli-chen Ornat, auf Befehl des Königs verhaftet und in die Bastille gebracht.
Nach Madame de La Motte, die verschwunden blieb, wurde gefahndet.
Saint-Denis
Die Königin blieb allein und in Verzweifl ung zurück. So viele Schläge hatten sie getroffen, daß sie nicht mehr zu entscheiden vermochte, welcher Schmerz der härteste war.
Nach einer Stunde in tiefster Niedergeschlagenheit sagte sie sich, daß sie handeln müsse. Das Gerücht belastete sie und Charny mit den Begebnissen jener drei Nächte, denen sie in der vierten vergebens auf der Spur gewesen war. Der König würde die von ihr erfundene Geschichte dagegenhalten. Doch mußte dies aufs schnellste mit Tatsachen untermauert werden, damit man sie glaubte.
Daß Andrée die Gelübde bereits abgelegt hatte, war in der Tat unwahrscheinlich, dafür war sie zu kurze Zeit im Kloster. Würde dieses stolze Mädchen aber ihre Freiheit und ihre Zukunft dar-ansetzen, um die Königin zu retten, die sie vor wenigem fast als Feindin verlassen hatte?
Was würde geschehen, wenn Andrée ablehnte? Dann brach das ganze Lügengespinst zusammen. Dann war die Königin eine klägliche Intrigantin, Charny ein Lügner, und die jetzt umlaufenden Verleumdungen wurden zur Anklage.
Es wurde
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