Das Halsband der Königin
sagte sie.
»Es ist unterzeichnet«, stöhnte Boehmer.
»Marie-Antoinette von Frankreich … Sie sind wohl verrückt?
Darf ich ›von Frankreich‹ unterschreiben? Ich bin Erzherzogin von Österreich, mein Herr. Die Falle ist zu plump, sagen Sie das Ihren Fälschern.«
»Meinen Fälschern?« stammelte der Juwelier, einer Ohnmacht nahe. »Eure Majestät verdächtigen mich, Boehmer?«
»Und Sie verdächtigen mich, Marie-Antoinette?«
Die Königin und der Juwelier blickten einander an, und beide zwangen sich zu klarer Überlegung. Boehmer holte Bossange zur Verstärkung. Die Königin befragte die Herren, wann und durch wen sie ihr Schriftstück erhalten hatten, und schloß, daß sie sowohl als die Juweliere hintergangen worden waren. Sie läutete und verlangte, ungesäumt die Gräfi n de La Motte zu sehen, aber die Gräfi n war bei Hofe nicht erschienen. Noch wollte die Königin ihre Vertraute in dieser Sache nicht offen verdächtigen, aber sie versprach den Juwelieren, sie der Person zu konfrontieren, der sie das Halsband zur Rückgabe überantwortet hatte. Inzwischen sollten die Herren zum Kardinal Rohan gehen.
Er werde sicherlich in allem Klarheit schaffen, sagte sie ruhig, doch war ihre Ruhe vorgetäuscht, und sie sandte Bote auf Bote zu Madame de La Motte.
Der Kardinal fi el ebenso aus den Wolken wie die Königin, als Boehmer & Bossange ihm den Fall darstellten. Auch er erkannte das vorgebliche Schriftstück Ihrer Majestät sofort für eine Fälschung, als er die Unterschrift Marie-Antoinette von Frankreich las. Doch verbot er den Juwelieren streng, seine Freundin, Madame de La Motte, mit einem Verdacht zu belasten. Sein ganzer Zorn richtete sich gegen die Königin, denn ihre Antworten auf seine leidenschaftlichen Briefe waren mit jedem Mal kühler, strenger und zuletzt gänzlich abweisend ausgefallen. Marie-Antoinette erschien dem tief beleidigten Mann wortbrüchig, ehrlos und fri-vol. Selbstverständlich verbarg der Fürst seine Gefühle vor den Kaufl euten, aber sein Bescheid lautete, er werde morgen, bevor er um elf Uhr in der Kapelle von Versailles das Hochamt halte, die Königin fragen, ob sie das Halsband besitze. Die Juweliere möchten sich dann in der Nähe halten.
»Sie werden ja sehen, was sie antwortet«, sagte er. »Wenn sie vor mir leugnet … Nun, meine Herren, ich bin ein Rohan, dann bezahle ich.«
Diese Worte hatte er mit einer Grandezza gesprochen, die sich in schlichter Prosa gar nicht wiedergeben läßt. Ihr Sinn war Zweifel an der Königin.
Berichte, Gerüchte und ein Abschied
Der nächste Tag war Himmelfahrt. König Ludwig hatte keine Muße, sich über das strahlende Wetter zu freuen und sich auf die Messe vorzubereiten. Seit dem frühen Morgen wurden ihm Geheimberichte und Gerüchte vorgetragen. Herr de Breteuil, der Siegelbewahrer des Reiches und langjährige erbitterte Feind des Kardinals Rohan, hatte gegen diesen ein ganzes Dossier zu-sammengestellt, das ihn bezichtigte, das Halsband unterschlagen, Schriftstücke gefälscht zu haben und sich zu rühmen, daß die Königin seine Geliebte sei.
Der Graf de Provence, Bruder des Königs und nachmaliger König Ludwig XVIII., wartete mit Meldungen seiner verschiedenen Beobachter auf, nach denen die Königin an vier aufeinan-derfolgenden Tagen zur Nachtzeit im Park von Versailles gesehen worden war. Die Angaben über die bedenklichen Handlungen Ihrer Majestät stimmten mit dem überein, was Olivier de Charny der Königin vorgeworfen hatte. In den Berichten über die ersten drei Nächte war die begleitende Dame als Madame de La Motte erkannt worden, während der beteiligte Herr nicht identifi ziert war. Der Beobachter der vierten Nacht nannte Herrn de Charny.
Der sonst so gutmütige Ludwig eilte mit wutverzerrtem Gesicht zu den Gemächern der Königin.
Gerüchte verbreiteten sich in Versailles wie der Wind. Olivier de Charny, von seinen wiedererwachten, jetzt neu bestätigten Zweifeln gemartert und von unmäßigen Ängsten um die gefährdete Königin getrieben, hatte unterdessen um eine Audienz ersucht und Marie-Antoinette über alle umlaufenden Reden unterrichtet.
Die Königin lauschte ihm schweigend und wie erstarrt in einem Lehnstuhl. Charny war bleicher und erregter denn je.
»Sie sehen, Madame«, sagte er düster, »alles hat sich gegen unsere Freundschaft verschworen. Nach diesem Skandal gibt es keine Ruhe mehr für mich, keinen Frieden mehr für Sie. Die öffentliche Meinung wird Sie zerreißen, selbst wenn Sie sich
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